Sonntag, 28. April 2024

Freiheit. Leben. Singen.

Vom Schilfmeer und einem Meer
aus Glas und Feuer.
Von Pessach, Toomaj Saleh
und Gospels.
Und vom Singen - gerade jetzt.

Eine Predigt zu Offenbarung 15, 2-4


1.
Lasst uns singen von der Freiheit.
Lasst uns singen vom Leben.
Lasst uns singen von Gott.

When Israel was in Egyptsland -
let my people go!

Lass mein Volk ziehen.
Lass es frei -
ruft Mose dem Pharao zu.

In diesen Tagen wird dies wieder gefeiert - in aller Welt.
Pessach - das jüdische Freiheitsfest. Let my people go!
Dieses Jahr mit einem besonderen Ton. Verzweifelt, klagend, weinend.
Mit Fotos von Romi, Noam und Nora, Alon, Evyatar und Carmen.
Let my people go! Lasst die Geiseln frei!
133 werden noch in der Hand der Hamas festgehalten.
Lasst sie frei - rufen die Israelis der Hamas zu.
Holt sie raus - rufen sie ihrer Regierung zu,

damit sie endlich einen Weg findet, die Geiseln zu retten.
Pessach - mit bitteren Kräutern, die an die Gefangenschaft erinnern,
mit Salzwasser für die vergossenen Tränen und mit Matzen
und am Ende beten die Lebenden für die Toten.
Dieses Jahr bleiben viele Stühle an den Tischen frei.
Let my people go!

Lasst uns singen von der Freiheit!
Sie ist bedroht wie nie.
Lasst uns singen für die Frauen im Iran,
die immer noch mutig auf die Straße gehen und ihre Haare zeigen, 
und für den iranischen Rapper Toomaj Saleh, der hingerichtet werden soll,
weil er regimekritische Songs veröffentlicht hat.
Er hat sich auch nicht einschüchtern lassen, als er gefoltert wurde.
Er singt und singt und singt. Und nun soll er deshalb ermordet werden.

Let my people go!
Verstummt nicht.
Singt mit erstickter Stimme. Mit einem Kloß im Hals.
Singt laut.

2.
Ich will singen von der Freiheit.
Will singen vom Leben. Und von Gott.

Im Buch der Offenbarung des Johannes lesen wir im 15. Kapitel:
Und ich sah, —
und es war wie ein gläsernes Meer, mit Feuer vermengt.
und die den Sieg behalten hatten über das Tier
und sein Bild und über die Zahl seines Namens,
die standen an dem gläsernen Meer
und hatten Gottes Harfen
und sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes,
und das Lied des Lammes:
Groß und wunderbar sind deine Werke,
Herr, allmächtiger Gott!
Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege,
du König der Völker.
Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten
und deinen Namen nicht preisen?
Denn du allein bist heilig!


3.
Ein Meer wie aus Glas, durchzuckt von gelegentlichen Blitzen und Feuern.
Ein Meer wie einst das Schilfmeer, deren Wellen wie eine Mauer stehen.
Aber jetzt verspricht es Ruhe. Klarheit und Wärme.
Und am Ufer dieses wundersamen Meeres stehen sie, die Überlebenden.
Und sie singen ein Lied vom Leben. Vom Überleben.

We shall over come….. some day….

Ja, da stehen sie, die das Böse überwunden haben.
Die Überlebenden.
Es sind die Guten, die zu Unrecht verurteilten
die, für die man nichts tun konnte, und alle, die jemals litten,
die zu früh gingen,
die erlebten, was sie nicht verdienten und was du keinem wünschst.
Es sind die vergewaltigten Frauen vom 7. Oktober und die weinenden Kinder im Gaza.
Es sind die Alexey Navalnys dieser Welt und die jesidischen Mädchen wie Nadia Murat.
Es sind junge Männer wie Yamil,
der mit 14 Jahren aus Syrien floh und sich im bulgarischen Gefängnis wiederfand.
Ganz allein.

Sie sind alle da - am gläsernen Meer.
Wie einst die Israeliten haben sie es geschafft.
Und es geht ihnen gut.
Hier am Meer aus Glas und Feuer, aus Klarheit und Wärme, ist alles vorbei.
Sie sitzen am Ufer, auf der Insel der Verbannten und sie singen ihr Lied.
Sie singen das Lied des Mose und des Lammes.
Das Lied des Helden und des Opfers. Das Lied der Sieger und der Besiegten.
Alles zugleich. Und in verschiedenen Sprachen.
Dieses Lied wird wohl fremd klingen und wundersam und seltsam.
Vielleicht wie Glas und Feuer.
Und ich weiß noch nichtmal, ob es Musik sein wird,
Musik in unserem Sinne. –
Oder ist es vielleicht dann einfach nur noch ein großes, weites Klingen –
ein Summen "wie im Himmel".
Ich weiß es nicht. Und das macht auch nichts.

Denn ich weiß:
Mit ihnen da am Meer werde ich einst das Lied vom Leben singen.
Mit euch und allen, die an diesem Ufer stehen und stehen werden.
Dann, am Ende, wenn es kein Dann mehr gibt.
Dann - wenn alles gut ist.
Wir werden singen für das Leben. Für das Überleben.
Jedes von uns mit seinem Lebensklang.
Helle und dunkle Geräusche.
Und da klingen vielleicht alle Töne zusammen:
Einer singt hell, eine andere spielt ein Instrument –
und noch eins schluchzt vielleicht noch und läßt einfach alles raus.

Aber es wird gut sein. Dann. Am Ende.
Ganz am Ende, wenn alles zu Ende ist. Wenn es kein Dann mehr gibt.
Dann singen wir alle zusammen am Meer aus Glas und Feuer von der Freiheit.
Und vom Leben. Und von Gott.

… oh deep in my heart, I do believe, that we shall over come some day….

4.
Aber jetzt ist es noch nicht gut. Jetzt ist noch nicht dieses Dann. Jetzt ist jetzt.
Jetzt sehe ich kein gläsernes Meer, sondern eine Welt, die ächzt und seufzt.
Da wird gelacht und gelitten. Da wird gejubelt und geweint und geheult.
Da wird sehr geliebt und fürchterlich gehasst.
Und wird umarmt und liebkost und geschlagen und gemordet.
Und manche weinen, und es werden Bäche und Ströme daraus,
die fließen ins Tränenmeer. Ein broken halleluja.

Hier in dieser Welt, hier im Jetzt, höre ich nicht nur Dank- oder Liebeslieder.
ich höre auch Hassgesänge und rohes Gebrüll.
Und ich bin ratlos, dass es immer leichter geht, die einen gegen die anderen aufzuhetzen.
Die leisen Stimmen werden übertönt von den listigen Wahrheitsverdrehern mit ihrem Lügen.
Und dann fühle ich mich manchmal wie ein Kind, das nicht mehr weiß, wo es hingehört.
Und kann nur noch stammeln:

Sometimes I feel like a motherless child…. a long way from home….

5.
Nein, ich lass mich nicht verstummen.
Und auch wenn die Stimme brüchig ist und auch wenn ich nur stammeln kann:
Ich will singen.
Ich will singen von der Freiheit.
Ich will singen vom Leben.
Und von Gott.

Ich will singen von einem Gott, der die Verfolgten beschützt und die Gedemütigten aufrichtet.
Ich will singen, dass Gott die Liebe ist und diese Liebe in die Herzen aller Menschen gepflanzt hat.
Ich will singen, dass Gott mich ermutigt da zu sein
und mich so geschaffen hat, wie ich bin,
und dass ich nicht besser oder klüger oder schneller sein muss, sondern Gottes geliebtes Kind bin.

Und ich singe das mit allen Songs, die mich begeistern.
Ob weltlich oder geistlich - das ist egal.
Ich will, dass das Leben in mir klingt und summt und brummt.

Mit den Gospels ziehe ich durch das Schilfmeer
und hoffe, dass die Wellen nicht über mir zusammenschlagen.
Mit Freddie Mercury weine ich um den bedrohten Jungen aus der "Bohemien Rhapsodie".
Ich lobe "den Herrn dort droben" mit Paul Gerhardt
und bitte um die Freiheit der iranischen Frauen mit "Baraye Azadi".
"Where is the love" frage ich mit Black Eyed Peas,
danke Gott für den guten Morgen und jeden neuen Tag
und singe den einen letzten Song, "One last song" mit Lord of the Lost.
Alles das gehört zusammen.
Und alles das verbindet mich mit euch und so vielen Menschen,
von denen ich viele kenne und die meisten nicht.

Und Gott? Gott singt und klingt in uns:
rauh und geschmeidig, hoch und tief und schräg und harmonisch.
Wild und leise, Geistlich und weltlich.
Alles zusammen. Denn so ist die Welt. Voller Klang. Und so ist Gott.

6.
Darum lasst uns singen.
Lasst uns singen von der Freiheit.
Lasst uns singen vom Leben. Und vom Überleben.
Lasst uns singen von Gott.
Und wenn die Stimme nicht singen kann, schwingt vielleicht immer noch das Herz mit.

Lasst uns singen mit den jüdischen Geschwistern:
Let my people go!
  Lasst die Geiseln frei.
Lasst uns singen mit Toomaj Saleh, dem iranischen Rapper, um sein Leben.
Lasst uns singen für die Toten in der Ukraine und in Gaza,
Für die, die wir vermissen und um die wir auch hier trauern.
We shall live in peace some day.
Lasst uns singen von Gott, die uns Töne und Klänge und Stimmen und Instrumente schenkt.
Von einem Gott, der uns aus der Gefangenschaft in die Freiheit führt.
Und uns dann, wenn es so weit ist, alle zusammenführen wird
- Juden, Musliminnen, Christinnen und Atheisten -
uns alle wird er zusammenführen an einem Meer aus Glas und Feuer,
und das Böse wird nicht mehr sein. Nie wieder.
We shall live in peace someday

Ja, lasst uns singen von Freiheit
und vom Leben
und von Gott.
Und vom Frieden,
der höher ist als all unsere Vernunft.
Er bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.



Montag, 8. April 2024

Ein Mehr an Leben - oder was Billy Elliot, Jack, Thomas und Jesus verbindet....


Predigt zu Johannes 20, 19-21.24-29

Es war Abend geworden an diesem ersten Wochentag nach dem Sabbat.

Die Jünger waren beieinander und hatten die Türen fest verschlossen.

Denn sie hatten Angst vor den Behörden.

Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: »Friede sei mit euch!«

Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite.

Die Jünger freuten sich sehr, als sie den Herrn sahen.

 

Thomas, der auch Zwilling genannt wird, gehörte zum Kreis der Zwölf.

Er war nicht bei ihnen gewesen, als Jesus gekommen war.

Die anderen Jünger berichteten ihm: »Wir haben den Herrn gesehen!«

Er entgegnete ihnen:

»Erst will ich selbst die Wunden von den Nägeln an seinen Händen sehen.

Mit meinem Finger will ich sie fühlen.

Und ich will meine Hand in die Wunde an seiner Seite legen.

Sonst kann ich das nicht glauben!«

 

Acht Tage später waren die Jünger wieder beieinander.

Diesmal war Thomas bei ihnen.

Wieder waren die Türen verschlossen.

Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: »Friede sei mit euch!«

Dann sagte er zu Thomas:

»Leg deinen Finger hierher und sieh meine Hände an.

Streck deine Hand aus und leg sie in die Wunde an meiner Seite.

Sei nicht länger ungläubig, sondern komm zum Glauben!«

Thomas antwortete: »Mein Herr und mein Gott!«

Da sagte Jesus zu ihm: »Du glaubst, weil du mich gesehen hast.

Glückselig sind die, die mich nicht sehen und trotzdem glauben!«


1.    Jack kann es nicht glauben
 
Jack kann es nicht glauben.
Sein Sohn Billy, 11 Jahre alt, will Balletttänzer werden!
Alle Männer der Familie Elliot haben boxen gelernt. Die Zeiten sind hart. In den 80er toben die Arbeitskämpfe in Durham. Die Zechen sollen geschlossen werden. Sie haben Angst um ihre Arbeitsplätze. Und darum streiken sie und haben eigentlich nichts, außer ein paar Cent.
Aber boxen – das soll jeder Junge können. Schließlich wird einem nichts geschenkt und dann muss man sich wenigstens wehren können. Also geben die Väter von Durham ihre letzten 50 Cent, damit ihre Söhne in der Boxhalle trainieren können, so wie sie früher.
 
Eines Tages kommt Mrs Wilkinson, die Balletlehrerin, zu Jack und schlägt ihm vor, Billy auf die Royal Ballet School zu schicken. Billy hatte schon eine Weile bei ihr gelernt, ohne dass Jack es wusste.

Jack ist fassungslos.
Während Billys großer Bruder Tony von der Polizei zusammenschlagen wird, lernt Billy ausgerechnet: tanzen. Heimlich. Statt zu boxen. "Du hast dich um Grandma zu kümmern, während wir kämpfen!" - brüllt Jack seinen Sohn an. Und er tobt und schlägt um sich und seine Fäuste treffen Billy.
 
Jack kann nicht glauben, dass Billy ein Tänzer ist. Es passt nicht in sein Bild von Billy,
es passt nicht zu dem, was sie als Familie durchmachen.
Es passt nicht dazu, dass sie das von der toten Mutter geerbten Klavier zerhacken müssen, um Brennholz zu haben. Es passt nicht zur Brutalität der Polizei und nicht zur Dunkelheit der Zechen. Es passt nicht zum Ruß, der über Durham liegt, und den Schnee in ein matschiges Grau verwandelt. (1)
 
2.    Thomas kann es nicht glauben
 
Thomas kann es nicht glauben.
Jesus, der Freund, der Lehrer, soll leben. Die anderen Jünger und Jüngerinnen haben ihn angeblich gesehen. Der so elend am Kreuz starb und das vor allen Augen – der soll leben? Und er wurde doch dann in das Grab von Josef von Arimathäus gelegt… Das passt nicht.
Es passt nicht in die Welt, die Thomas kennt. Es passt nicht zum unerbittlichen Handeln der römischen Soldaten. Es passt nicht zum Blut, zum Schmerz, zum Grau der Tage. Nicht zu den enttäuschten Gesichtern derer, die gehofft hatten, dass nun endlich alles anders wird. Und immer noch verkriechen sie sich hinter dicken Mauern.
Dass Jesus leben soll, das passt nicht zu den Tränen der Frauen, die die ganze Zeit unter dem Kreuz waren. Nicht zu der Angst, die die Jesus-Freunde immer noch haben - dass es auch sie treffen könnte.
Thomas ist kein Ungläubiger, auch wenn er oft so genannt wird. Aber er ist auch kein Leichtgläubiger, kann nicht einfach so glauben, was seine Freunde ihm erzählen.
 
Ich verstehe Thomas gut.
Jesus lebt? Da müsste doch die Welt auf dem Kopf stehen, alles anders sein.
Die Angst verflogen - alle Türen offen. Die Tränen getrocknet. Kein Tod mehr. Kein Leid mehr.
Aber die Welt ist weiterhin wie sie ist. Die Türen sind und bleiben verschlossen.
Wieso merke ich nichts davon, dass Jesus lebt?
 
3.    Thomas begreift
 
Und plötzlich ist er da, der Auferstandene.
Steht vor Thomas - so wie 8 Tage vorher bei den anderen. Steht vor ihm - offensichtlich können Mauern und verschlossene Türen ihn nicht draußen halten. Es gibt keine Grenzen mehr, kein drinnen und draußen, Himmel und Erde verschwimmen. Wunden und Wunder gehen ineinander über. Die Schwelle zwischen Tod und Leben überschritten. Die Welt, wie Thomas sie kannte, bröckelt.

Aber es reicht noch nicht. „Erst will ich selbst die Löcher von den Nägeln an seinen Händen sehen. Mit meinem Finger will ich sie fühlen. Und ich will meine Hand in die Wunde an seiner Seite legen.“
Zeigt mir seine Narben, sagt Thomas zu den anderen. Lasst mich begreifen, was geschehen ist.
Lasst es mich spüren. Berühren. Fleisch und Blut, Haut und Haar.
Kein Geist. Sondern Mensch. Der Mensch Jesus.
 
Und Jesus lässt es zu. Er zeigt Thomas seine Narben. Und das genügt.
Jesus zeigt sich ungeschützt, mit all den Spuren, die das Leben und der Tod hinterlassen haben.
Zeigt sich, wie er ist. Unverstellt. Echt.
Und das lässt Thomas glauben.
Jesus ist kein Geist, der mit ihm nichts zu tun hat.
Sondern vielleicht sogar mehr Mensch denn je und damit ganz nah.
 
4.    Jack begreift
 
Und plötzlich ist er da. Billy, der 11jährige Junge, steht in der Boxerhalle vor seinem Vater. Beide haben nicht damit gerechnet, dass sie sich hier treffen. Draußen und drinnen verschwimmen. Sie sind erschrocken. Wird der Vater wieder prügeln?
 
Billy fängt an zu tanzen. Alles lässt er raus - seine Wut, seine Trauer, seine Angst, seine Tränen.
Er tanzt wie noch nie. Und Jack begreift auf einmal, wen er da vor sich hat.
Es ist Billy, den er doch von klein auf kennt und liebt und den er doch nun zum ersten Mal richtig sieht.
Mit seinen Narben auf der Seele und seiner Wut im Bauch. Er lässt sich berühren, obwohl er nur zuschaut.
Denn Billy hat sich gezeigt. Ohne Mauern. Ohne Panzer. Ungeschützt, unverstellt, echt.
 
5.    Ein Mehr an Leben
 
Damit ist der Damm gebrochen. Jack erkennt, was Billy braucht.
Und für die ganze Familie beginnt ein neues Leben.
Immer noch voller Tränen und Zweifel. Nicht wissend, ob Billy es schaffen wird.
Sie gehören zusammen und niemand kann sie auseinander treiben, noch nicht mal das Grau in Grau von Durham oder die gnadenlose Dunkelheit der Zechen.
Billy wird ein großer Tänzer, der die Herzen berührt und seinem Vater die Tränen in die Augen treibt.
Ja, sie beginnen zu glauben, dass es mehr gibt. Ein Mehr an Leben.
Und obwohl so viel dagegen spricht: das Leben lohnt sich und hat alle Liebe verdient.
 
Ein Mehr an Leben….
Auch Thomas beginnt zu glauben. Mein Herr und mein Gott - mehr kann ein Mensch nicht bekennen, wenn er Jesus begegnet.

Mit seiner Geschichte macht er zahllosen anderen Mut.
Mir jedenfalls ist Thomas sehr nahe.
Wenn ich mich nicht einfach vertrösten lassen will, habe ich Thomas an meiner Seite.
Wenn ich mich danach sehne, Jesus begreifen zu können, bin ich in den Spuren von Thomas.
Wie er will ich mich berühren lassen und will berühren.
Wie er brauche ich diesen lebendigen Jesus, der mir seine Narben zeigt.
Dieser Jesus ermutigt mich dazu, selber meine Narben offenzulegen, echt zu sein, mich nicht zu verstellen. Auf Tuchfühlung zu gehen mit Menschen, die mich lieben und die ich liebe.
Unsere Welt braucht es, dass die Grenzen zwischen Himmel und Erde, zwischen Tod und Leben fallen.
Ein Mehr an Leben – und es lohnt sich, obwohl so viel dagegen spricht.
Und ich möchte glauben, dass dies geschieht.
 
6.    Ich glaube
 
Ich kann es glauben.
Ich glaube, dass ein boxender Junge Tänzer wird.
Ich möchte glauben, dass jeder Mensch frei leben kann – echt und unverstellt. 
Ich klammere mich daran, dass das eines Tages geschieht.
 
Das Holz vom Klavier wird nicht zum Heizen gebraucht, sondern lässt Musik erklingen.
Die Arbeit laugt die Menschen nicht mehr aus.
Und alle tanzen auf der Straße mit Boxerstiefeln und Ballettschuhen.
 
Ich will glauben, dass die Welt nicht so bleiben muss, wie sie ist.
Ich möchte glauben, dass ein machtbesessener Präsident nicht einfach einen Krieg anzetteln kann,
sondern Parlament und Ministerinnen ihn stoppen.
Ich möchte glauben, dass die Welt nicht auf eine Terroristenbande wie die Hamas hört,
sondern auf die misshandelten jungen Frauen, die einfach nur tanzen wollten.
Ich klammere mich daran, dass das eines Tages geschieht.
 
Und ich spüre meine Narben und sehe deine Wunden.Und ich glaube, dass das wichtig ist.
Wir begreifen, dass wir Gottes Kinder sind und unser Leben hat alle Liebe verdient.

Lahme gehen, Blinde sehen, Tote stehen auf.
Und ja, Gottes Liebe zum Leben ist stärker als alles andere.
Das glaube ich.
Und das hoffe ich – mit Billy und Jack und mit Thomas.
Amen.

(1) Billy Elliot - I will dance. Aus dem Jahr 2000. Absolut empfehlenswert!
https://de.wikipedia.org/wiki/Billy_Elliot_%E2%80%93_I_Will_Dance