Sonntag, 17. April 2016

Wunderbare Leichtigkeit des Seins: tanzende Töne, Jesus mittendrin und die Liebe in der Welt

Predigt zu 1.Joh 5,1-4 
 
(Mit Anklängen an das wunderbares Stück "Wie im Himmel" vom Pforzheimer Stadttheater und Dank an Bettina Schlauraff für ein paar Gedanken)

Wer glaubt:
Jesus ist der Christus,
hat Gott zum Vater.
Und wer seinen Vater liebt,
liebt auch seine Geschwister,
die ja denselben Vater haben.

Ob wir die Kinder Gottes lieben,
erkennen wir daran:
Wir lieben Gott
und halten seine Gebote.
Denn unsere Liebe zu Gott äußert sich darin,
dass wir seine Gebote halten.

Und es ist nicht schwer,
seine Gebote zu halten.
Denn jeder, der Gott zum Vater hat,
besiegt die Welt.
Dabei ist es unser Glaube,
mit dem wir diesen Sieg über die Welt erringen.

I.
Es ist nicht schwer, sagt Daniel.
Daniel, der Meisterdirigent, steht vor dem Dorfchor.
Gestern im Theater.
Er zweifelt, ob das geht mit denen.
Sie zweifeln, ob das geht mit ihm.
Aber nun sind sie da.
Und suchen den Himmel.
Suchen Töne, die schon längst da sind.
Wollen himmlische Töne finden.
Klingen lassen.

Es ist nicht schwer, sagt Daniel trotzdem.
Ihr werdet die Töne finden, die in euch sind.
Und die Töne werden euch finden.
Wenn ihr daran glaubt.
Wenn ihr eure Zweifel loslasst.
Wenn ihr seid, die ihr seid.

II.
Es ist nicht schwer,
schreibt einer in einem Rundschreiben,
den wir Johannesbrief nennen.
Es ist nicht schwer,
die richtigen,
die himmlischen Töne zu finden.
Die Töne klingen zu lassen, dass ihr zu Gott gehört.
Dass ihr zu Jesus Christus gehört.
Ihr werdet die Töne finden, die in euch sind
und die euch zueinander führen.
Und die Töne werden euch finden.
Wenn ihr daran glaubt.
Wenn ihr eure Zweifel loslasst.
Wenn ihr seid, die ihr von Gott her seid.

Es ist nicht schwer,
schreibt er, nennen wir ihn Johannes.
Schreibt für Menschen,
die nicht mehr wissen, wo sie hingehören.
An Männer und Frauen, die sich fremd fühlen,
in einer Umgebung, wo ihr Glaube nicht Fuß fasst.
Sie wollen mit dieser Welt nichts zu tun haben,
halten sich raus,
schotten sich ab,
ziehen sich zurück.
Jesus ist in meinem Herzen.
Das genügt. Mehr brauche ich nicht.
Und die Welt kann mir gestohlen bleiben.

III.
Die Welt kann mir gestohlen bleiben.
Das denkt Daniel, als er in sein Heimatdorf zurück kehrt.

Die Welt kann mir gestohlen bleiben.
Auch ich ertappe mich bei diesem Gedanken.

Da werden Gruselgeschichten erzählt von Flüchtlingen.
So wie im Januar von Lisa, die angeblich vergewaltigt wurde.
Und diese Lügengeschichte treibt 700 Menschen auf unseren Marktplatz.
Und sie treibt Tausende in die Arme der AFD.
Die Welt kann mir gestohlen bleiben.
Lasst mich in Ruhe damit. Ich will es nicht mehr hören.
Das denke ich dann.
Du auch?

Da führt ein übergroßes Haushaltsdefizit in Pforzheim vielleicht dazu,
dass ausgerechnet bei den Armen und Bedürftigen gespart werden muss.
Dabei hat Pforzheim die dritthöchste Millionärsdichte in Deutschland.
Das ist doch verrückt.
Ach, lasst mich in Ruhe damit.
Das denke ich dann. Will es nicht wirklich hören.
Weil es mir Angst macht.
Die Welt soll mir doch gestohlen bleiben.

Der erneute Krankenhausbesuch der Freundin.
Die Aussichten stehen schlecht.
Die Chemo hat sie schwach gemacht.
Die hin und her geschobenen Millionen wegen der WM in Deutschland.
Oder die Arbeiter in Katar, die wegen der zukünftigen WM in Löchern hausen.
Die Kinder am Zaun von Idomeni.
Die fragwürdigen Ergebnisse mit Istanbul.

Ich will es nicht mehr hören.
Tür zu.
Schotten dicht.
Bettdecke über den Kopf.
Oder eine Liebesschnulze auf DVD anschauen.
Oder wie Daniel der Welt entfliehen.
Die Welt kann mir gestohlen bleiben.

IV.
Aber auf Dauer geht das nicht.
Sagt Johannes.
Und das weiß ich auch.
Die Welt kann mir nicht gestohlen bleiben.
Denn ich bin ein Teil von ihr.
Ich gehöre zu ihr.
So wie ich zu Gott gehöre.

Wer glaubt:
Jesus ist der Christus,
hat Gott zum Vater.
Und wer seinen Vater liebt,
liebt auch seine Geschwister,
die ja denselben Vater haben.


Jesus ist keine Idee, kein Gedanke.
Jesus ist ein richtiger Mensch.
Und nur so ist er der Messias.
Einer, der mittendrin ist.

Mittendrin in diesem Chaos,
und dort, wo es ganz ordentlich zu geht.
Unter der Bettdecke
und in der Küche, wo das Geschirr immer noch schmutzig herumsteht.
Jesus ist mittendrin,
wo Alte weinen,
und Junge tanzen
und Liebende sich umarmen.
Jesus zieht sich auch mal zurück,
in die Wüste oder auf ein Boot oder einen Berg.
Und heute würde er vielleicht auch mal eine Liebesschnulze sehen
und mit Daniel in das Heimatdorf zurückkehren.
Warum auch nicht?

Aber dann geht er wieder in die Welt,
und ist ganz und gar da.
Sie bleibt ihm nicht gestohlen.
Und er verdammt sie nicht.
Denn sie ist es, die seine Liebe braucht.
Sie ist es, die ihn hören muss.
Ihn und seine Töne der Liebe.
Die Töne der Freiheit und der Leichtigkeit.
Die Töne des Friedens.
Gottes Töne.

V.
Und so wie die Welt zu Gott gehört,
gehörst auch du zu Gott.
Und die Welt gehört zu dir.
Diese schwierige, anstrengende
und doch auch so bezaubernde Welt.
Du machst die Tür zu,
oder steigst auf ein Boot
oder du gehst in die Wüste.
Die Welt gehört trotzdem zu dir.
Und du zu ihr.
So wie Daniel zum Dorf gehört.
Und das Dorf zu ihm.
Und beide sind Teil der Welt.

Wer seinen Vater liebt,
liebt auch seine Geschwister,
die ja denselben Vater haben.


Du kannst die Welt nicht in Stich lassen,
nicht links liegen lassen.
Sie kann dir nicht egal sein.
Denn sie braucht Gottes Liebe.
Die unglaubliche Leichtigkeit seiner Liebe.
Die hohen Töne und die tiefen Töne,
die Sopranstimmen und die Bassstimmen,
die Stimmen dazwischen auch, Alt und Tenor.
Die krächzenden Stimmen und die glockenhellen.
Alle diese Stimmen, die von Gottes Liebe singen,
die Welt braucht sie.
Sie braucht dich.
So wie du bist mit deinen Brüchen und Narben,
mit allem, was du mitbringst.

VI.
Ob wir die Kinder Gottes lieben,
erkennen wir daran:
Wir lieben Gott
und halten seine Gebote.
Denn unsere Liebe zu Gott äußert sich darin,
dass wir seine Gebote halten.
Und es ist nicht schwer,
seine Gebote zu halten.


Es ist nicht schwer.
Denn du trägst Gott im Herzen,
diesen Gott,
wo du die bist, die du bist,
und der, der du sein willst.
Diesen Gott, der dir Flügel verleiht.
Seine Liebe trägst du mit dir
und behältst sie nicht für dich.
Das geht nicht.
Denn sie drängt hinaus.
Sie drängt dich hinaus.
Dort, wo die anderen sind mit ihren Brüchen und Narben.
Dort, wo du einfach das tust, was ansteht.
Das, was du kannst.
Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Und du machst deine Augen auf
und öffnest deine Ohren
und dein Herz.
Und dann lächelst du der gestressten Verkäuferin zu,
oder du schreibst einen Brief für einen Gefolterten,
oder du besuchst einen, der Angst hat vor den Flüchtlingen,
oder du widersprichst dem Hetzer im Bus,
der an Fremden kein gutes Haar lässt.
Du kümmerst dich um die,
die dein solidarisches Herz brauchen,
und deine Stimme.
Die Töne der Liebe statt Schreie der Angst.
Das sind die Gebote.

Unsere Welt braucht dich,
sie braucht diese unglaubliche Leichtigkeit des Seins.
Es ist nicht schwer,
sagt Johannes.
Wir ahnen,
es ist nicht immer leicht.
Aber mit Gottes Liebe in deinem Herzen geht es leichter.
Sie ist stärker als das, was dir entgegen steht,
stärker als deine Vergeblichkeiten und deine Schwächen,
stärker sogar als deine Sterblichkeit,
stärker als die Tür, die du schließen willst.

VII.
Es ist nicht schwer.
In Indien, bei unserer Partnerkirche,
habe ich diese Leichtigkeit gespürt.
Wo traurige Kinder wieder lachen können,
Kinder, die von der Welt ausgeschlossen werden.
Sie lachen wieder,
weil sie von unseren Schwester und Brüdern zu hören und spüren bekommen,
wie wertvoll sie sind.

Ich habe diese Leichtigkeit der Liebe gespürt,
als sich so viele von euch für mich eingesetzt haben:
ihr habt mir Briefe geschrieben,
mir gute Worte gesagt,
und auch anderen das gesagt.
Ihr habt mir gezeigt,
dass ich vor Lügengeschichten keine Angst haben muss.

Ich spüre diese Leichtigkeit,
wenn ich unsere Chöre hier höre.
Diese hohen und tiefen Töne der Freiheit und des Friedens.
Sie berühren mich im Herzen.
Durch sie spüre ich, wie großartig und wunderschön diese Welt ist.

Und auch Daniel, der Meisterdirigent, hat sie gespürt,
die Leichtigkeit der Liebe.
Und die Dorfbewohner auch.
Wie im Himmel kommen sie zusammen.
So wie sie sind.
Mit ihren Brüchen und Narben und Ängsten.
Sie öffnen ihre Herzen füreinander,
schützen sich,
stärken sich,
singen zusammen.
Und entdecken Neuland.
Eine wunderbare Leichtigkeit von neuen, himmlischen Tönen.
Und sie überwinden, was sie eingeengt hat.
Mit ihrer Liebe.
Mit Gottes Liebe.

VIII.
Es ist nicht schwer,
die Liebe zu leben,
weil wir zu Gott gehören,
sagt Johannes.

Es ist nicht schwer
,
die Töne der Liebe zu singen,
denn sie sind da,
sagt Daniel.

Es ist nicht schwer,
Liebe zu geben,
weil wir geliebt sind,
sagen die indischen Geschwister.

Es ist nicht schwer,
sagen viele von euch.

Und so sage auch ich mir selbst und dir:
es ist nicht schwer.
Ich darf die sein, die ich bin,
und du auch.
Gottes Welt braucht meine und deine Liebe.
Wir leben sie
und tanzen sie
und zeigen sie,
singen sie
und widersprechen durch sie.

Und das tun wir
mit Gottes wunderbarer Leichtigkeit des Seins
Sie ist in uns.
Jetzt und allezeit.

Amen.




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