Freitag, 29. November 2019

Ihr gebt die Zukunft nicht auf!

Dank an Fridays for future
Rede anlässlich #NeustartKlima“-Demo von Fridays-for-future in Pforzheim*
29.11.2019

Danke, Friday for future Pforzheim! Danke, dass ihr da seid - hier (im strömenden Regen).
Aber ganz vor allem: Danke, dass ihr die Zukunft nicht aufgebt!

Ich stehe hier als Kirchenfrau. Ich vertrete eine Institution, die viele für altbacken halten, für von gestern. Und ja, manchmal stimmt das auch. Aber Gott sei Dank nicht immer. Wenn es um Ökologie geht und um Klimaschutz, um Müllvermeidung und gerechten Handel, dann ist das bei uns schon lange Thema. Allerdings taten wir das nicht, weil wir womöglich klüger als andere gewesen wären. Nein, wir bekamen durch unseren Kontakt zu Christen und Christinnen in aller Welt deutlicher und öfter zu hören: was wir hier tun, hat Folgen für die ganze Welt. Es ist nicht egal. We are one.  We are one - und wir leben auf der einen gemeinsamen Welt.

Schon Anfang der 80er Jahre redeten wir von Bewahrung der Schöpfung. Seit den 00er Jahren gibt es den sogenannten Grünen Gockel für unsere Gemeinden (das ist  ein Ökosiegel) und seit 2011 gibt es ein Klimaschutzkonzept. Ziel: bis nächstes Jahr sollen 40% CO2-Emissionen reduziert werden. Und dieses Ziel wird auch erreicht.

Aber - und das sage ich selbstkritisch: in vielen Gemeinden und Kirchen ist das dennoch mühsam. Viele wollen vom Klimawandel nichts hören. Autofahren ist immer noch selbstverständlich. Fliegen auch. Wir verschleudern zu viel Energie. Wir sind nicht konsequent. Und damit leben auch wir in unseren Kirchen hinterm Mond.
Vor allem haben wir aufgehört, Druck auf die Politik auszuüben. Auch wir Kirchenleute haben uns tatsächlich in sowas wie einen Schlaf einlullen lassen. Wir haben uns daran gewöhnt, dass die Klimaziele nicht erreicht werden. Und vielleicht auch gedacht: So schlimm wird das schon nicht werden.

Doch nun ihr. Ihr habt uns wachgerüttelt. Und dafür Danke! Danke, dass ihr die Zukunft nicht aufgebt! Danke, dass ihr euch nichts mehr vormachen lasst. Ihr fordert einen Neustart für das Klima. Richtig so.

Danke, dass ihr laut seid. Danke, dass ihr uns alle daran erinnert, worauf es ankommt: dass alle gut leben können - alle!  Auch die Ärmsten der armen Länder, die als erstes unter der Klimaerwärmung leiden. Und ihr erinnert uns daran, dass auch eure Kinder und Enkel noch gut leben wollen.

Ihr setzt euch dafür ein, dass die Zukunft lebenswert bleibt. Dass man frei atmen kann, dass Kinder weiterhin draußen spielen können, dass wir sauberes Wasser für alle haben und gesunde Lebensmittel.  Ihr kämpft dafür, dass es noch ein Zukunft für alle gibt und nicht nur für einige wenige Reiche. Danke, dass ihr dafür kämpft!

Viele von uns Alten halten euch ja für verrückt: Man beschimpft euch als Schulschwänzer.
Nicht wenige halten euch für Klimahysteriker, manche sprechen gar von Klimareligion oder Klimasekte. Von Alarmismus ist die Rede. Und von Ökodiktatur.

Dass das Quatsch ist, brauche ich euch nicht zu erzählen. Aber den Kirchenleuten, die euch unterstützen, wird dasselbe vorgeworfen. Dabei wird vor allem vollkommen übersehen, dass ihr die Wissenschaft auf eurer Seite habt. Ob wir noch 5 Jahre haben oder 10 oder 20, bis wir die CO2 Emissionen auf Null gebracht haben sollten - darüber sind sich nicht alle Wissenschaftler einig. Aber selbst wenn wir noch 20 Jahren hätten, müssten wir jetzt endlich richtig loslegen.
Und nicht noch Maßnahmen einführen, die die deutliche Reduzierung von CO2 noch bremsen, wie die Pendlerpauschale und der größere Abstand von Windkraftanlagen zu Wohnungen. Ob wir wirklich noch 20 Jahre haben, bezweifle ich, weil wir jetzt schon die einige Kipppunkte erreicht haben, die den Klimawandel umumkehrbar machen.

Aber Tatsache ist: Wir können nicht mehr warten. Act now! Krempelt die Ärmel hoch, liebe Politiker und Politikerinnen und liebe Bürger*innen, und trefft Entscheidungen, die wirklich was ändern - Entscheidungen, die vermutlich nicht populär sind, weil sie unseren Lebensstil in Frage stellen. Aber wir brauchen diese Entscheidungen. Und das hat mit Ökodiktatur nichts zu tun, sondern mit Vernunft. Das hat auch mit Hysterie und Religion nichts zu tun, sondern mit Verantwortung und Respekt.

Klimahysteriker, Klimareligion, Ökodiktatur - darüber könnte man lachen, wenn es nicht so traurig wäre und vor allem so fatale Folgen hätte. Wegschauen, ignorieren, wegdiskutieren - das alles geht nicht mehr. Denn wir müssen jetzt handeln. Jetzt und nicht erst in 10 Jahren. Und alle, die sich dafür einsetzen, brauchen unsere Unterstützung.

Wir Christen und Christinnen haben den Auftrag von Gott, seine Schöpfung zu bewahren, sie zu erhalten und zu schützen. Wir lieben das Leben, das Leben ist uns von Gott geschenkt und jedes Leben auf dieser Welt ist wertvoll.  Diese wunderbare Welt ist es wert, dass wir uns für sie einsetzen, dass wir für sie kämpfen, für sie tanzen und singen, laufen und schreiben und - ja, dass wir laut sind für sie. Damit endlich was passiert.

Danke, dass ihr laut seid! Und auch wir werden laut sein und dran bleiben, das verspreche ich euch. Das Klima braucht einen Neustart.

Und darum stehe ich hier - mit euch. Ihr habt uns aufgeweckt.
Danke, dass ihr uns nicht aufgebt. Danke, dass ihr die Zukunft nicht aufgebt.

*Rede zum Auftakt der Demo in Pforzheim

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