Sonntag, 9. Mai 2021

Wie ein Vater und wie eine Mutter

Ein Gebet
Inspiriert vom Vaterunser

Wie ein Vater bist du, Gott.
Einer, der mich in die Arme nimmt, wenn ich nach Hause komme.
Du nimmst mich in den Arm und fragst nicht,
warum meine Hände so schmutzig sind,
sondern drückst mir Seife in die Hand und ein frisches Handtuch.
Deine Arme, Gott, sind groß und warm und umfangen mich
und du freust dich einfach, dass ich da bin.
Zündest Kerzen für mich an. Deckst den Tisch.
Du gibst mir meine Würde zurück.

Wie ein Vater bist du, Gott.Und wie eine Mutter.
Eine, die die Suppe auf den Tisch stellt und mir einen Löffel in die Hand drückt.
Setz dich, Kind. Iss.
Und deine Suppe, Gott, schmeckt nach Zitrone und Minze und nach frischem Gemüse.
Und du setzt dich dazu, Gott, und strahlst mich an
und ich erzähle dir, was mir gut getan hat und was meine Seele schwer macht.
Wie eine Mutter streichst du mir über den Kopf.

Und ich weiß: alles wird gut. Irgendwie wird doch alles gut.
Denn ich bin ja dein Kind. Dein geliebtes Kind.

Wie ein Vater bist du, Gott, und wie eine Mutter.
Und ich will, dass die Welt endlich so wird, wie du sie gedacht hast.
Eine Welt, in der alle deine Kinder in Würde leben können.
Wo auf deine demonstrierenden Kinder nicht geschossen wird, wie gerade in Kolumbien.
Eine Welt, in der sich auch die Pflegenden erholen können.

Ist es möglich, Gott, dass es diese Welt schon jetzt gibt?
Jetzt und nicht erst im Himmel?

Wie ein Vater bist du, Gott. Und wie eine Mutter.
Und es bricht dir das Herz,
dass immer noch viel zu viele Menschen nicht genug zum Leben haben.
Dass sie nicht wissen, ob ihre Rente bis zum Ende des Monats reicht.
Oder ob sie die neuen Schuhe für ihre Kinder bezahlen können.
Ich glaube auch, Gott, dass du dich über den Gabenzaun freust,
den wir hier in der Nähe 4 Wochen lang stehen hatten.
Dort konnten Alte und Junge, Arme und Reiche teilen, was sie hatten.
Das Deo, die Dosensuppe, eine Tüte Mehl.

Du weißt, dass auch ich Teil dieser Ungerechtigkeiten bin.
Aber du verurteilst mich nicht, sondern lässt mich neu anfangen. Jeden Tag.
Es gibt Tage, da mag ich mich selber nicht. Mag nicht in den Spiegel schauen.
Aber du schaust mich an. Und nimmst mich in den Arm.

Wie ein Vater bist du, Gott. Und wie eine Mutter.
Und ich lege dir hin, was mich rastlos und ratlos macht.
Warum Menschen mit Hasskommentaren auf Facebook unterwegs sind.
Warum viele nur ein Lachsmiley übrig haben,
wenn es um ertrinkende Flüchtlinge oder Covid-Tote geht.
Ich lege es dir hin und hoffe, dass dieses Böse ein Ende hat.
Ich hoffe, dass du mir hilfst, das Richtige zu tun.
Dass du mir hilfst, deine Liebe zu leben, die stärker ist als alles Böse.

Du traust mir zu, dass ich das schaffe: deine Liebe zu leben.
Aber ob mir das gelingt oder nicht:
Deine Arme sind immer da für mich.
Und dafür danke ich dir.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen