25 Jahre Ordination und Popgeschichte
Rede zum Ordinationsjubiläum - gehalten am 11.10.2021
I
wonder how, I wonder why
Yesterday
you told me 'bout the blue, blue sky
And
all that I can see is just a yellow lemon tree (1)
Lemon tree
von Fools Garden. Ein
Nummer-1-Hit von 1996, dem Jahr, in dem wir ordiniert wurden.
Ein Song der gute Laune macht, obwohl er Langeweile beschreibt - und den
Wunsch, mehr sehen zu wollen, als den yellow lemon tree,
(der nur ins Lied geraten ist, weil er so gut klingt.) Ein Gute-Laune-Song aus
einer Dazwischenzeit. Und ich finde, das passt zu uns. Auch wir waren so ein
Fools Garden - ein Garten der Närrinnen und Narren im Predigerseminar.
Wir
waren Narren und Närrinnen, die keine Sicherheit mehr hatten, ob sie übernommen
werden würden. Unsicherheit war wie eine Decke, die sich über unser Selbstbewusstsein
legte. Gemeinsam wärmten wir uns mit ihr. Und gemeinsam versuchten wir, sie
wieder abzuschütteln, was uns nicht wirklich gelang. Aber es gelang uns, immer
wieder die gute Laune zu finden: mit der Suche nach dem blue blue sky und wenn wir doch nur einen lemon tree sahen, wollten wir wenigstens die
Zitronen genießen. Sauer und herb und saftig.
(So gönnten wir uns
Gedichtabende mit viel Rotwein, Parodien auf die Vogelleidenschaft von Herrn
Barié und drehten sogar einen Film, an den sich heute nur noch wenige erinnern. I wonder how….)
1996
- Es war Zeit Abschied zu nehmen. Time to say goodbye (2). Goodbye zu den Kurskolleg*innen, zum
Lernen in der Gruppe und Gott sei Dank auch zu den Prüfungen, die manche von
uns vollkommen übermüdet ablegten. Und wir fühlten uns wie candle in the wind (3) - viel zu viele beruflichen Lichter wurden ausgeblasen.
Wir gehörten zu den Jahrgängen, in denen weniger als die Hälfte in den Dienst
übernommen wurden. Das prägt uns. Mehr als uns lieb ist. Und ich bin sicher:
das prägt auch unsere Kirche bis heute.
Nun, die wir hier sind, gehörten zu den Glücklichen (oder manchmal auch Unglücklichen), die es geschafft haben. Nicht alle blieben im Pfarramt. Manche scheiterten. Einer starb.
Yesterday
you told me 'bout the blue, blue sky.
And
all that I can see Is just a yellow lemon tree
Nein,
das stimmt so natürlich auch nicht. Wir haben mehr gesehen als den yellow lemon tree. Wie Forrest Gump liefen wir den
Marathon - hoffend, dass alles gut wird. My heart will go on(4) und klammerte sich mit Leonardo di
Caprio an einer Holzplanke fest. Das Kirchenschiff versank nicht wie die
Titanic. Aber es folgten viele Neuanfänge. Und das macht uns ja auch aus, uns
Narren und Närrinnen, dass wir Neuanfänge gestalten. Und die Welt dreht sich
weiter...
Do you believe?(5) - Glaubst du? Das fragte Cher 1998.
Ja,
ich glaube, dass unser Beruf der schönste der Welt ist. Jedenfalls kann ich mir
keinen Besseren vorstellen - trotz aller Zweifel. It’s my life(6) - schreit Bon Jovi trotzig in die Menge.
It’s
now or never. Lass
auch du dich nicht niederdrücken, sondern bleibe aufrecht. Mach es wie Maria Maria(7), die Carlos Santana an die Westside Story erinnert, und ich denke
an die beiden Marias im Neuen Testament: die mit dem revolutionären Lobgesang
und die, die am Grab steht und von den Engeln ins Leben geschickt wird.
Ins
Leben geschickt…. - das wurden wir, aber nicht allein. Vor 25 Jahren wurde uns
zugesagt, dass Gott uns beisteht in allem, was wir tun und sagen und lassen und
lieben. Wir sind berufen - berufen ins Leben. Whenever. Wherever(8). Gott traut uns zu, dass wir das gut
und richtig machen. Und dass wir am richtigen Platz sind.
Und diese Zusage brauchen wir. Ich zumindest, die Närrin, könnte ohne diese Zusage nicht weitermachen. Denn der Mensch heißt Mensch - Weil er vergisst, weil er verdrängt(9). I’m only human after all - don’t put the blame on me.(10)
Am meisten zweifle ich ja an mir selber und an der Welt. Can you practice what you preachin’? (11) fragten 2003 Black eyed peas. Father, Father, Father help us. Send some guidance from above. Where's the love?
Where’s
the love? Ja, wir
suchen nach der Liebe, die die Welt heilen könnte. Wir suchen sie und wir
versuchen sie zu leben. Wir scheitern an ihr und wir entdecken doch auch ihren
Schimmer. Sie ist ja da. Und die Sehnsucht nach ihr ungebrochen. Love Generation(12) - das sind wir und das wollen wir
sein. Denn dazu sind wir ordiniert.
Wir sind vom selben Stern(13). Und damit meine ich nicht das Predigerseminar. Sondern das, was Ich-und-Ich besingen. Wir alle sind aus Sternenstaub - In unseren Augen war mal Glanz - Wir sind noch immer nicht zerbrochen - Wir sind ganz.
Und
ja, es gibt diese klaren Momente. Wo alles richtig ist und gut und wir sind
eins mit uns und unserer Ordination und unserer Welt. Vielleicht ist das dann
nicht gleich die perfekte Welle, der perfekte Tag (14). (ich mag das Wort perfekt auch
nicht) Aber es gelingt dann zu sagen: Ich bin hier - ich bin frei.
Dazu
sind wir ordiniert: Ganz zu sein. Frei zu sein. Die Liebe Gottes zu leben und
zu verkündigen. Narren und Närrinnen Gottes (vgl. 1. Kor. 4,10). Dafür müssen
wir kein Poker
face(15) aufsetzen, sondern bauen mit
Cassandra Steen eine Stadt aus Glas und Gold, wo jedes Morgenrot und
jeder Traum sich lohnt(16). Und das Herz schlägt
dazu wie eine Dschungeltrommel(17). Wir rufen uns zu:
„Hey, soul sister!“(18) Die soul brothers
umarmen wir und tanzen happy(19) mit Pharrell
Williams - diverser geworden und uns an Vielfalt freuend. Wir bezeugen die Liebe Gottes, die sich nicht
Grenzen und Zäune hält, weder an Kirchengesetze (manchmal) noch an Datenmengen.
Wir sind geboren
um zu leben(20)
- mit den Wundern jeder Zeit - und das somewhere
over the rainbow(21) Wir haben hier ja
keine bleibende Stadt, aber ich bin doch froh, dass wir auf dem Weg zu ihr
schon etwas vorangekommen sind. Und dass wir weiterhin fragen „Where
is the love?“
25 Jahre Ordination. Und das nächste
mal feiern wir das in 15 Jahren. Eines Tages werden wir
alt sein, Baby (22)
und an all die Geschichten denken, die wir hätten erzählen können. Und ich hoffe, dass
wir sie auch wirklich erzählen werden, weil wir sie erlebt haben. Denn wir sind
jetzt ja mittendrin. Wir verändern jetzt. Wir gestalten jetzt. Wir sind jetzt da. Life will pass me by if I don't open up my eyes(23)
Schauen wir hin und leben - und
erinnern wir uns an unsere Träume, die wir vor 25 Jahren hatten und hoffentlich
noch neue, die dazu gekommen sind.
Vielleicht drehen wir uns im Kreis. Running
in circles(24) mit Post
Malone.Vielleicht haben wir das Gefühl, dass es an der Zeit ist, loszulassen. Time
to let it go. Und ja, das haben wir ja immer wieder
tun müssen in den letzten 25 Jahren.
Aber heute halten wir an. Hören uns zu
und halten es wie Namika:
Je ne parle pas français(25).
Aber bitte red weiter. Alles, was du so
erzählst, hört sich irgendwie nice an. Und die Zeit bleibt
einfach stehen.
25 Jahre. 1996 ordiniert. Und die Jahreslosung
von damals sagt, dass es weiter geht. Wir sind nicht „gar aus“ und Gottes
Barmherzigkeit hat noch kein Ende. (Klgl 3,23) Unsere Berufung hat auch noch
kein Ende. Wir sehen nicht nur den yellow lemon tree, sondern auch den blue
blue sky.
Wir bleiben berufen, Narren und Närrinnen Gottes zu sein. Wir fragen uns, wie
und warum was passiert und halten aus, dass wir manchmal nicht wissen, wo wir
sind. Aber wir sind da und bleiben da und zwar ganz.
Wir singen trotzig und aufrecht das
gute Leben in diese Zeit hinein.
Ein Hoch auf das, was
vor uns liegt(26)
- Dass es das Beste für uns gibt
Ein Hoch auf das, was
uns vereint - Auf diese Zeit
Ein Hoch auf dieses
Leben - Auf jetzt und ewig
Auf einen Tag - Unendlichkeit
Und dafür lassen wir uns heute segnen.
[1] Lemon tree; Fools garden 1996
[2] Time to say goodbye; Andrea Bocelli + Sarah Brightman1997
[3] Candle in the wind; Elton John 1997
[4] My heart will go on; Celine Dion 1998
[5] Believe; Cher 1998
[6] It’s my life; Bon Jovi 2000
[7] Maria Maria; Carlos Santana 1999
[8] Whenever wherever; Shakira 2002
[9] Mensch; Herbert Grönemeyer 2002
[10] Human; Rag’n bone man 2016
[11] Where is the love; Black eyed peas 2003
[12] Love Generation; Bob Sinclair 2006
[13] Vom selben Stern; Ich und Ich 2007
[14] Perfekte Welle; Juli 2004
[15] Poker Face; Lady Gaga 2009
[16] Stadt; Cassandra Steen 2009
[17] My heart is beating like a jungle drum; Emilíana Torrini 2009
[18] Hey soul sister; Train 2009
[19] Happy; Pharrell Williams 2013
[20] Geboren um zu leben; Unheilig 2010
[21] Over the rainbow; Neucover von Israel Kamakawiwoʻole 1993 / Superhit aber erst 2010
[22] One day baby, we’ll be old, Asaf Avidan 2012
[23] Wake me up; Avicii 2013
[24] Circles; Post Malone 2020
[25] Je ne parle pas français; Namika 2018
[26] Auf uns; Andreas Bourani 2014