Wenn Schwerter zu Pflugscharen werden - Predigt zu Jesaja 2, 1-5
(Mit Dank an Claudia Stell, Rainer Claus, Michael Greßler und Kathrin Oxen für ihre Impulse, die mich sehr inspiriert haben)
I.
Es könnte alles ganz anders sein.
Anfang der 80er Jahre.
Großes Säbelrasseln zwischen den Supermächten in Ost und West.
In der damaligen DDR wurde das Schulfach „Wehrerziehung“ eingeführt.
Und zur gleichen Zeit in den Kirchen aus West und Ost die Friedendekade.
In Westdeutschland große Friedensdemos -
Blockaden vor Mutlangen und Sitzwachen in Heidelberg.
In Ostdeutschland musste man subtiler vorgehen:
Schwerter zu Pflugscharen - einst von den Sowjets vor das UNO-Gebäude gestellt.
Nun als Protestzeichen gegen die Wehrerziehung und das Säbelrasseln,
aufgenäht auf Jacken, denn Aufkleber waren verboten.
Aufnäher aus Vliesstoff fielen unter „Textveredelung“.
Vielen Jugendlichen wurde dann allerdings der Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“
aus den Anoraks herausgeschnitten.
Als könnte man den Protest minimalinvasiv entfernen.
Als würde das irgendetwas verändern.
„Ich habe damals für uns alle die Aufnäher angenäht
und dann unsere Jacken extra schön ordentlich so in die Garderobe gehängt,
dass alle „Schwerter zu Pflugscharen“ nebeneinander hingen“
berichtet eine der Jugendlichen von damals.
Ausprobieren, was geht. Wie weit man gehen kann.
Und zum Kirchentag in Wittenberg 1983
stellte sich der Kunstschmied Stefan Nau in den Hof des Lutherhauses
und tat es: schmiedete ein Schwert um.
II.
Es könnte alles ganz anders sein.
Wer hätte damals gedacht,
dass 6 Jahre später tatsächlich alles ganz anders wurde.
An einem Montag im Oktober.
70.000 Menschen mit Kerzen in den Händen zogen durch die Innenstadt von Leipzig.
„Wenn man eine Kerze trägt, braucht man beide Hände.
Man muss das Licht behüten, vor dem Auslöschen schützen“
erinnerte sich Christian Führer, der Pfarrer der Nikolaikirche.
Und die Friedensgebete schwappten auf die Straße.
Die Waffen waren bereit und doch schoss niemand.
„Wir hatten alles geplant. Wir waren auf alles vorbereitet.
Nur nicht auf Kerzen und Gebete.“
Soll einer vom Zentralkomitee-Mitglied gesagt haben.
Einen Monat später fiel die Mauer,
III.
Es könnte alles ganz anders sein.
Nach dem Fall der Mauer war die Hoffnung groß:
Der kalte Krieg hat sich endgültig erledigt, hoffte man.
Die großen Mächte der Welt haben doch nun verstanden,
dass ein Krieg mit den heutigen Waffen für alle tödlich wäre
- für alle.
Es wurden Abrüstungsvereinbarungen getroffen -
die nährten die Hoffnung.
Weiter gehen mit dem Frieden. Nicht aufhören.
Aber es wurde nicht anders. Nicht wirklich.
Kriege gibt es immer noch, durch Internet sichtbarer denn je.
Kleine und große Mächte rüsten wieder auf,
in einigen Ländern sind Menschen an der Macht,
die sind so Macht- oder Geldversessen,
dass sie vor nichts zurückscheuen.
Nordkorea droht mit Bomben
und kein Mensch weiß genau, ob es Atombomben sind, die dann fliegen.
Da werden in der Türkei wahllos Menschen verhaftet,
nur weil sie eventuell etwas gesagt haben könnten, dass….
In den USA führt ein Mensch die amerikanische Hire and Fire Mentalität ad absurdum,
so sehr, dass es eigentlich schon eine großartige Realsatire sein könnte,
wenn es sich bei demjenigen nicht um einen der mächtigsten Menschen der Welt handeln würde.
Der kann fast ganz alleine entscheiden, ob der berüchtigte rote Knopf gedrückt wird...
Ach, ich mag’s mir gar nicht weiter vorstellen...
Und ausgerechnet in Jerusalem toben blutige Kämpfe,
um den heiligsten Ort auf Erden, den Tempelberg,
Fast ein Krieg.
Angst beherrscht die Politik.
Nur eine falsche Geste hat den nächsten Terroranschlag zur Folge.
Es müsste alles ganz anders sein….
IV.
Dies ist das Wort,
das Jesaja, der Sohn des Amoz,
schaute über Juda und Jerusalem.
Es wird auf der Rückseite der Tage
der Berg, da des Herrn Haus ist, fest stehen,
höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben,
und alle Heiden werden herzulaufen,
und viele Völker werden hingehen und sagen:
Kommt, lasst uns hinaufgehen zum Berg des Herrn,
zum Hause des Gottes Jakobs,
dass er uns lehre seine Wege
und wir wandeln auf seinen Steigen!
Denn von Zion wird Weisung ausgehen
und des Herrn Wort von Jerusalem.
Und er wird richten unter den Nationen
und zurechtweisen viele Völker.
Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen
und ihre Spieße zu Sicheln.
Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben,
und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
Kommt nun, ihr vom Hause Jakob,
lasst uns wandeln im Licht des Herrn!
V.
Es könnte alles ganz anders sein.
Der Prophet wirft ein Blick auf die „Rückseite der Tage“,
wie es dort wörtlich heißt.
Zion, der umkämpfte und von Feinden belagerte Berg:
Ausgerechnet er wird zum Berg des Friedens.
Nicht mehr kämpfen, sondern lernen werden die Menschen,
die dort hinkommen.
Sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
Sie lernen den Frieden.
Es anders machen.
Nicht mehr dieselben Fehler tun.
Lernen aus dem, was geschehen ist.
Der Prophet ist kein Naivling, auch wenn er träumt.
Er sieht weiter, tiefer,
auf die Rückseite dessen, was wir gewohnt sind, zu sehen.
Der Prophet schaut das, was möglich wäre
und vor allem, was nötig ist.
Ja, er ist Realist durch und durch
und weiß: Kriege bringen nur Zerstörung und keine Heilung.
Kriege bringen kein friedliches Zusammenleben.
Das sehen wir in Syrien, Afghanstan, im Irak und in Jemen
Vor der Allmacht der Gewalt zu kapitulieren, ist gegen Gott.
Und darum sind auch Waffenlieferungen
- ob klein oder groß - absurd
und vielleicht sogar sowas wie Gotteslästerung.
VI.
Kommt nun, ihr vom Hause Jakob,
lasst uns wandeln im Licht des Herrn!
Es könnte alles ganz anders sein, darum macht es anders.
Malala, das pakistanische Schulmädchen macht es anders.
Sie wurde von den Taliban in den Kopf geschossen,
weil sie ihr Recht auf Bildung wahrnehmen wollte.
Sie überlebte und kämpft seither für das Recht auf Bildung.
Vor allem ein Satz von ihr ist um die Welt gegangen:
„Ein Kind, eine Lehrkraft, ein Stift und ein Buch können die Welt verändern“.
Also fangen wir mal damit an.
Keine Waffenexporte mehr, sondern Stiftexporte.
Schwerter zu Schreibstiften und Büchern.
VII.
Lasst uns wandeln im Licht des Herrn!
Es könnte alles ganz anders sein.
Die Polizei in Stuttgart macht es anders.
Ein Dienstgebäude wurde mit Hassparolen beschmiert.
Statt nun alles zu säubern,
luden der Polizeidirektor und sein Team
bunt gemischte Menschen aller Altersstufen des benachbarten Mehrgenerationenhauses
zum Foto-Posing ein.
So wurde aus dem schwarzen, rund eineinhalb Quadratmeter bedeckenden Schriftzug "A.C.A.B."
ein Symbol für "All Colours Are Beautiful" (Alle Farben sind schön).
Mach Spaß statt Hass - so lautete das Motto.
Zwar sieht die Polizei das immer noch als zu verfolgende Sachbeschädigung an.
Und ich denke kreativer wäre es, die Sprayer einfach nur auszulachen.
Aber immerhin hat sie aus Hass etwas Schönes, Buntes, Offenes gemacht.
Schwerter zu bunten Wänden.
Es anders machen. Es geht.
VIII.
Lasst uns wandeln im Licht des Herrn!
Es könnte alles ganz anders sein.
Viele Jugendliche in unserem Kirchenbezirk machen es anders.
Sie lassen sich ausbilden zu Friedensstiftern und -stifterinnen.
Lernen, wie sie Konflikte beilegen können,
Wie sie die Menschen wieder ins Gespräch bringen.
Lernen, sensibel zu sein für Gewalt im Kleinen.
Und so weiter.
Den Frieden lernen.
Es geht. Es geht ganz anders.
IX.
Lasst uns wandeln im Licht des Herrn!
Jetzt, nicht erst morgen.
Schwerter zu Pflugscharen.
Fang schon mal an.
Mit deinen Gedanken und Worten, mit deiner kleinen Welt.
Es könnte alles ganz anders sein.
Hassworte zu Liebeserklärungen,
„fake news“ zu „good news“,
Kasernen zu Wohnungen und Werkstätten,
Kriegsschiffe zu Rettungskreuzern,
Bauen und Pflanzen statt Bomben,
Landminen zu Bleistiftminen,
Tee trinken anstatt in Angst versinken,
Mit Feinden essen gehen
und gemeinsam auf die Welt schauen.
Und zum eigenen, ganz eigenen inneren Berg Zion gehen.
Auf die Rückseite, wo alles anders aussieht.
Dir fällt bestimmt noch mehr ein oder…?
Und mir bestimmt auch.
Es könnte jedenfalls ganz anders sein.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.
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