Sonntag, 15. Juli 2018

Töne der Hoffnung gegen Töne der Angst

Predigt zum Ökumenischen Gottesdienst anlässlich des Fests "Grüntöne" (1) 
(ein Fest der Kulturen im Stadtgarten in Pforzheim)

I.
Töne der Hoffnung
Die Bibel ist voll davon.
Die schwangere Maria singt ein Lied
mit brausenden Tönen.
Ihr Magnificat - von einer umstürzenden Hoffnung,
die selbst vor dieser verzweifelten jungen Frau keinen Halt macht. (2)
Bei Abraham waren es vielleicht eher die stillen Töne.
Als er in den Sternenhimmel blickt,
macht Gott ihm Mut aufzubrechen.
Und er zieht in ein fremdes Land. (3)
Jona singt die Töne der Hoffnung im Bauch des Fisches. (4)
Er wollte vor Gott fliehen.
Die Töne der Angst in ihm waren zunächst viel stärker.
Und sie sind selbst im Bauch nicht verstummt.
Doch dann kommen neue Töne hervor
und er kann tun, was nötig ist.

II.
Das Volk Israel hat immer die Töne der Hoffnung gesungen, 
selbst unter Tränen im Exil.
Sie klammerten sich förmlich daran,
dass Gott sie nicht im Stich lassen würde:
Er hat das Volk einst aus der Sklaverei gerettet.
Er wird es nun auch aus dem Exil führen.

Die Christen und Christinnen der ersten Stunde sangen dieselben Lieder.
Teilten dieselbe Hoffnung:
Ja, Gott lässt uns nicht in Stich.
Egal, was passiert: er ist bei uns.
Für sie ist aber ein weiterer Grund hinzugekommen,
diese Töne der Hoffnung anzustimmen:
Jesus ist auferstanden.

Ja, er ist auferstanden.
Das ist der Grund jeder christlichen Hoffnung:
Es gibt keinen Ort und keinen Zustand, wo wir ohne Gott sind.
Selbst im Tod sind wir nicht ohne Gott.
Und nichts, gar nichts kann uns von diesem Gott trennen.

III.
Paulus, den wir eben hörten, sagt das so:
Wir stehen in der Gnade.

Wir stehen in der Gnade. wie in einem Raum,
Oder unter einem Himmel - mit Gott.
Paulus sagt das zu seinen Schwestern und Brüdern in Rom.
Die mussten mal aufbrechen und wieder neu anfangen.
Wurden vertrieben und kamen wieder zurück.
Sie kennen Angst und Verzweiflung und Mut und Hoffnung.
Und ihnen schreibt er:
Wir stehen in der Gnade.
Und von dort erklingen die Töne der Hoffnung.

Wir stehen in der Gnade.
Das heißt nicht:
wir kennen die Töne der Angst nicht mehr.
Wir hören sie ja noch.
Und stimmen sie vielleicht auch selber an.
So ging das den Christen und Christinnen in Rom.
Und dem Volk Israel im Exil auch.
Jede von uns kennt sie, diese schrillen oder verzweifelten Töne.
Und Jesus kennt sie auch.
Sie schwingen in uns
und machen uns ganz klein und mutlos.
Sie reden uns ein, dass das Leben immer gefährlicher wird.
Oder  lassen uns Europa abschotten.
Die Töne der Angst lassen uns unmenschlich werden
und Menschen ertrinken ihretwegn.
Und sie sorgen dafür,
dass wir Menschen selbst in Länder abschieben, wo ihr Leben in Gefahr ist.
Die Töne der Angst lassen uns klammern
an vermeintliche Sicherheiten, die keine sind.
Und an eine Vergangenheit, die nie so gut war,
wie wir sie erinnern.

IV.
Aber wir stehen doch in der Gnade!
Sagt Paulus.
Eine neue Zeit ist mit Jesus angebrochen.
Mit offenen Türen zu Gott, der uns losschickt wie einst Abraham.
Wir stehen in der Gnade.,
unter einem Himmel, voller Töne der Hoffnung.
Die Töne der Angst hören wir auch hier.
Aber sie sind leiser.
Denn wir wissen,
dass sie keine Macht mehr über uns haben..
Darum hören wir auf die Töne der Hoffnung.
Die Töne der Liebe und des Lebens.
Grün sind sie - wie die Bäume hier im Stadtgarten.
Grün und voll mit buntem Leben.

Diese Töne sagen uns:
Fürchte dich nicht. Du gehörst zu Gott.
Und von ihm kann dich nichts trennen.
Noch nicht mal deine Angst.

Diese Töne sagen uns:
Öffne dein Herz für die Menschen, die dir begegnen.
Denn für sie und für dich ist Jesus seinen Weg gegangen.
Fang gleich heute damit an.
Und setze dich an den Tisch und iss und rede mit ihnen.

Die Töne der Hoffnung sagen:
Hör auf die Töne, die du mit Gott fröhlich singen kannst
oder unter Tränen.
Und stelle dich an der Seite derer,
die deinen Mut brauchen:
Hier in Pforzheim und auf dem Mittelmeer.
In den Rathäusern und in den Seenotschiffen.

V.
Wir stehen in der Gnade., sagt Paulus.
Und die Liebe Gottes ist ausgegossen in unseren Herzen.
Das sagt er auch.
Und diese Liebe wird überfließen
und unseren Gesang erfüllen.
Wie bei Maria und Abraham und Jona.
Die Töne der Hoffnung schallen aus diesem Atrium hier heraus.
Und schwingen weiter in die Stadt,
die diese Hoffnung braucht.
Und aufs offene Meer hinaus.
Und nach Berlin und Brüssel und Rom und Wien.
Wer weiß, was die Töne der Hoffnung dort in Gang setzen?

Töne der Hoffnung.
Die Bibel ist voll davon.
Und unser Leben auch.
Unsere Stadt füllen wir mit ihnen.
Hören wir genau hin.
Amen.

(1)
Lesungstext und Grundlage für die Predigt: Römer 5,1-5 (Einheitsübersetzung)
Gerecht gemacht aus Glauben,
haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn.
Durch ihn haben wir auch den Zugang zu der Gnade erhalten, in der wir stehen,
und rühmen uns unserer Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes.
Mehr noch, wir rühmen uns ebenso unserer Bedrängnis;
denn wir wissen:
Bedrängnis bewirkt Geduld,
Geduld aber Bewährung,
Bewährung Hoffnung.
Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen;
denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen
durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.

(2) Lukas 1,46-55
(3) Genesis 12
(4) Jona 2

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