Predigt zu Johannes, dem Täufer
(Textgrundlage: Matthäus 3,1-12 und 11,1-15 sowie Johannes 3,22-30 (siehe unten))
- mit Dank an Michael Greßler, Michaela Jecht und Bettina Schlauraff für ein paar Formulierungsideen!
I.
Wilder Honig.
Süß ist er.
Und schmeckt nach Wald und Gestrüpp.
Nach Lavendel und Löwenzahn.
Wilder Honig ist nicht einfach da.
Er wird gemacht - von Bienen.
Er ist ihr Futter in der Blumenlosen Zeit.
Im Winter. Oder wenn es trocken ist.
Wilder Honig, geröstete Heuschrecken und kühles Wasser.
Mehr scheinst du nicht zu brauchen, Johannes.
Wilder Mann mit den wilden Worten.
Du brauchst kein festes Dach über den Kopf,
keine Altersversorgung und keinen Arzt.
Noch nicht mal Anerkennung brauchst du.
Es scheint dir egal zu sein, was die Leute von dir denken.
Und das macht dich unheimlich.
II.
War es dir wirklich egal, was die anderen denken, Johannes?
Ich finde das sehr schwer.
Und mache mir zu oft Gedanken darüber,
ob die anderen mich mögen.
Ob man mich versteht.
Oder gut findet, was ich sage oder tu.
Weil ich unsicher bin.
Und dann ist die Gefahr groß,
dass ich es ihnen recht machen will.
Und ihnen nach dem Mund rede.
Oder meinen Mund halte.
Du machst es anders.
Der wilde Mann mit den wilden Worten.
Du sprichst laut und klar.
Und du schonst niemanden.
Noch nicht mal den König.
Du scheust kein Feuer, kein scharfes Wort, keinen Streit.
Denn es geht dir um das, was wirklich zählt.
Klar und eindeutig.
Es geht dir um Gott.
Zimperlich bist du nicht.
Wilde deftige Worte kommen aus deinem Mund.
Otterngezücht, Schlangenbrut, Ehebrecher
und eine Axt, die schon angelegt ist.
Deine Worte sind hart. Vielleicht sogar zu hart.
Nicht süß wie der wilde Honig.
Eher wie die Heuschrecken.
III.
Aber du bleibst ein Suchender, Johannes.
Selbstbewusste Worte und Demut.
Eindeutig und fragend.
Beides ist da.
Du fragst nach Jesus.
Nach dem, der die Liebe lebt.
Du machst dich nicht klein,
aber du weißt, wer größer ist als du.
Denn es geht dir nie um dich, sondern um Gott.
Gott braucht dich, um den Weg zu bahnen.
Und du lässt es zu.
IV.
Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen. (Johannes 3,30)
So sprichst du von dir und Jesus.
Es ist Wendezeit.
Der Punkt, wo eine neue Richtung eingeschlagen wird.
Die Nächte werden wieder länger.
Aber der Sommer kommt.
Spargel und Rhabarber werden nicht mehr geerntet.
Die Pflanzen wachsen nicht mehr in die Höhe,
sondern in die Frucht.
Auf der Mitte zwischen Weihnachten und Weihnachten.
Zwischen Saat und Ernte.
Zwischen Gericht und himmlischem Jerusalem.
Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.
Wendezeit.
Du lässt die Menschen in den Jordan steigen.
An der Mündung zum Toten Meer.
Dort, wo das Wasser anfängt nach Salz zu schmecken.
Die Fische kehren dort um,
denn im Toten Meer würden sie sterben.
Und du schickst uns zurück ins Leben.
Ihr wisst doch, worauf es ankommt, sagst du.
Lebt den Himmel - schon jetzt.
V.
Wilde Worte statt wilder Honig.
Du gibst uns deine Worte als Nahrung für den Winter.
Für die Wendezeit.
Jetzt, wenn die Nächte wieder länger werden.
Mit ihnen springen wir über das Johannisfeuer in die Nacht.
Sie sind nicht süß, aber sie nähren.
Sie machen uns Mut.
Mut zu klaren Worten.
Eindeutig, scharf.
Wer Ohren hat, der höre…. (Matthäus 11,15)
„Bist du es, der da kommen soll?
Oder sollen wir auf einen anderen warten?“ (Matthäus 11,3)
Das fragst du Jesus.
Mitten aus dem Gefängnis heraus.
Und Jesus antwortet:
„Blinde sehen und Lahme gehen,
Aussätzige werden rein und Taube hören,
Tote stehen auf
und Armen wird das Evangelium gepredigt;
und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.“ (Matthäus 11, 5-6)
Und ich stelle mir vor,
wie du dich an diese Worte klammerst.
Worte - klar und eindeutig und voller Feuer.
Deine Nächte sind so lang geworden,
dass du gar nicht mehr weißt, was Licht ist.
Aber deine Sehnsucht nach diesem Licht ist genauso groß wie vorher.
Die Glut in dir ist noch nicht verloschen,
auch wenn andere sie austreten wollen.
Du hältst sie wach.
Und hörst, was passiert.
Blinde sehen. Lahme gehen. Taube hören.
Tote stehen auf.
Da wächst, was wachsen soll, auch wenn du abnimmst.
VI.
Deine Sehnsucht nach dem Licht, Johannes, ist meine.
Sie ist wie eine Glut, die in mir ist
und mich manchmal verzweifeln lässt.
Weil so vieles gegen sie spricht.
Ein Ministerpräsident spricht von Asyltourismus
und macht damit Menschen, die vor Krieg, Armut und Terror fliehen, lächerlich.
Zur Zeit irrt ein Rettungsschiff im Mittelmeer umher.
Auf der Suche nach einem europäischen Hafen -
mit 220 geflüchteten Männern und Frauen und Kindern an Bord.
Hier in Deutschland sollen Ankerzentren eingerichtet werden -
ohne Zugang zur Schule oder zur Arbeit.
Aufnahmelager für Flüchtlinge wie einst in Gurs 1939.
Und ein neuer Nationalismus macht sich breit .
Wendezeit?
Auf jeden Fall eine Zeit, wo es auf uns ankommt.
Auf Menschen, die sich nähren und stärken lassen von Worten wie
„Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt“
Deine Sehnsucht, Johannes, ist meine.
Ich will den Himmel leben. Jetzt.
Und wenn die Nächte länger werden,
brauche ich Worte, die mir Mut machen.
Und Zeichen, die für diese Sehnsucht sprechen.
Es gibt sie, auch wenn ich sie so leicht übersehe.
Dass es nun einen Rat der Religionen in Pforzheim gibt.
Das ist so ein Zeichen.
Oder dass am letzten Mittwoch auf dem Waisenhausplatz
ein deutsch-russischer Chor mit einem iranischen Flüchtling
gemeinsam auf der Bühne stand.
Und wir feierten gemeinsam Gottesdienst.
Oder dass der landesweite Protest
gegen die Trennung von Familien an der mexikanischen Grenze
etwas bewegen kann, auch wenn es noch nicht genug ist.
Alles das sind Zeichen, die für meine Sehnsucht sprechen.
Sie sind klein.
Aber sie funkeln und strahlen und machen Lust auf mehr.
VII.
Wilder Honig, geröstete Heuschrecken und kühles Wasser.
Mehr scheinst du nicht zu brauchen, Johannes.
Wilder Mann mit den wilden Worten.
Aber so ganz stimmt das nicht.
Du brauchst zwar keine Anerkennung,
aber Worte, die dir Mut machen.
Und Zeichen, die für deine Sehnsucht sprechen.
Da geht es dir wir mir.
Und ich stelle mir vor, wo du heute stehen würdest.
Am Jordan und am Potomac River in Washington
und an der Moskwa.
An der Donau und am Tiber
und an der Enz.
Und du würdest klare und eindeutige Worte finden:
„Seht zu, bringt rechtschaffene Frucht der Buße!“ (Matthäus 3,8)
Und dann zeigst du auf den,
der größer ist als jeder Präsident und jeder Minister.
Auf ihn kommt es an.
Und auf seine Worte.
„Blinde sehen und Lahme gehen,
Aussätzige werden rein und Taube hören,
Tote stehen auf
und Armen wird das Evangelium gepredigt;
und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.“
Und dann würdet ihr beide zusammen die Kinder aus den Lagern zu ihren Eltern bringen.
Ihr setzt euch zu ihnen und esst mit ihnen
und hört ihre Geschichten an.
Ihr hättet einen Rat für die Väter und Mütter hier in Pforzheim,
die Angst um ihre Kitaplätze haben.
Danach setzt ihr euch an den Kabinettstisch in Berlin
und legt unseren Ministerinnen und Ministern neuen Mut ins Herz.
Und die besorgten Wutbürger nehmt ihr in den Arm
und ihr macht ihr Herz leichter.
VIII.
Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.
Deine Worte, Johannes.
Wendezeit. Jetzt.
Die Nächte werden länger.
Die Tage nehmen ab, aber der Sommer kommt.
Mit ihm essen wir Johannisbeeren und süßen Honig.
Und auf den Dächern trinken wir kühlen Weißwein.
Wir nähren unsere Sehnsucht nach dem Himmel
und halten das Feuer in uns wach.
Du, Johannes, bist dabei.
Wilder Mann mit wilden Worten.
Und du schickst uns zurück ins Leben.
Amen.
Textgrundlage:
Matthäus 3, 1-12
Zu der Zeit kam Johannes der Täufer und predigte in der Wüste von Judäa
und sprach: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
Denn dieser ist's, von dem der Prophet Jesaja gesprochen und gesagt hat: »Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg und macht eben seine Steige!«
Er aber, Johannes, hatte ein Gewand aus Kamelhaaren an und einen ledernen Gürtel um seine Lenden; seine Speise aber waren Heuschrecken und wilder Honig.
Da ging zu ihm hinaus Jerusalem und ganz Judäa und das ganze Land am Jordan
und ließen sich taufen von ihm im Jordan und bekannten ihre Sünden.
Als er nun viele Pharisäer und Sadduzäer sah zu seiner Taufe kommen, sprach er zu ihnen: Ihr Otterngezücht, wer hat euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? Seht zu, bringt rechtschaffene Frucht der Buße!
Denkt nur nicht, dass ihr bei euch sagen könntet: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott vermag dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken.
Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Darum: Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.
Ich taufe euch mit Wasser zur Buße; der aber nach mir kommt, ist stärker als ich, und ich bin nicht wert, ihm die Schuhe zu tragen; der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. Er hat die Worfschaufel in seiner Hand und wird die Spreu vom Weizen trennen und seinen Weizen in die Scheune sammeln; aber die Spreu wird er verbrennen mit unauslöschlichem Feuer.
Matthäus 11,1-15
Und es begab sich, als Jesus diese Gebote an seine zwölf Jünger beendet hatte, ging er von dort weiter, zu lehren und zu predigen in ihren Städten. Da aber Johannes im Gefängnis von den Werken Christi hörte, sandte er seine Jünger und ließ ihn fragen: Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?
Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.
Als sie fortgingen, fing Jesus an, zu dem Volk über Johannes zu reden: Was zu sehen seid ihr hinausgegangen in die Wüste? Ein Schilfrohr, das vom Wind bewegt wird?
Oder was zu sehen seid ihr hinausgegangen? Einen Menschen in weichen Kleidern? Siehe, die weiche Kleider tragen, sind in den Häusern der Könige.
Oder was zu sehen seid ihr hinausgegangen? Einen Propheten? Ja, ich sage euch: Er ist mehr als ein Prophet. Dieser ist's, von dem geschrieben steht: »Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bereiten soll.«
Wahrlich, ich sage euch: Unter allen, die von einer Frau geboren sind, ist keiner aufgetreten, der größer ist als Johannes der Täufer; der aber der Kleinste ist im Himmelreich, ist größer als er.
Aber von den Tagen Johannes des Täufers bis heute leidet das Himmelreich Gewalt, und die Gewalt tun, reißen es an sich. Denn alle Propheten und das Gesetz haben geweissagt bis hin zu Johannes; und wenn ihr's annehmen wollt: Er ist Elia, der da kommen soll. Wer Ohren hat, der höre!
Johannes 3,22-28.30
Danach kam Jesus mit seinen Jüngern in das Land Judäa und blieb dort eine Weile mit ihnen und taufte.
Aber auch Johannes taufte in Änon, nahe bei Salim, denn es war da viel Wasser; und sie kamen und ließen sich taufen. Johannes war ja noch nicht ins Gefängnis geworfen.
Da erhob sich ein Streit zwischen den Jüngern des Johannes und einem Juden über die Reinigung. Und sie kamen zu Johannes und sprachen zu ihm: Rabbi, der bei dir war jenseits des Jordans, von dem du Zeugnis gegeben hast, siehe, der tauft, und alle kommen zu ihm.
Johannes antwortete und sprach: Ein Mensch kann nichts nehmen, wenn es ihm nicht vom Himmel gegeben ist. Ihr selbst seid meine Zeugen, dass ich gesagt habe: Ich bin nicht der Christus, sondern ich bin vor ihm her gesandt. (…)
Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.
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