Sonntag, 16. Dezember 2018

Ungeduld und Hoffnungsschimmer

Predigt zu Römerbrief 15,4-7.13

(mit großem Dank an Birgit Mattausch, Sebastian Finn Wolfrum und Michael Greßler)

Vor der Predigt:
Lied: Es kommt die Zeit, in der die Träume sich erfüllen.... dann gehen Gott und die Menschen Hand in Hand....


I. (Hoffnungsschimmer)
Es kommt die Zeit, in der die Träume sich erfüllen…
Dann…
Dann.
Wann ist dieses Dann?
Ich sehne mich nach diesem Dann.
Besonders nach diesen Schüssen in Straßburg.
Dieses Dann gehen Gott und die Menschen Hand in Hand.
Ich will, dass dieses Dann schon jetzt ist.
Geht dir das auch so?
Manchmal blitzen kleine Hoffnungsschimmer auf.
Wenn Warvan einen Ausbildungsplatz hat
und erstmal hier bleiben kann und nicht in den Irak zurück muss.
Wenn du erfährst, dass deine Freundin den Krebs besiegt hat.
Oder wenn eine 15 Jährige, Greta Thunberg aus Schweden,
vor der UN-Klimakonferenz spricht.
Kleine Hoffnungsschimmer.
Aber genug?
Ich will, dass aus den Hoffnungsschimmern ein ganzes Sternenzelt wird.
Mit geduldiger Ungeduld will ich das.

II. (Paulus)
Bei Paulus lesen wir aber was von Geduld:
Denn was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben,
damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben.
Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch,
dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander,
wie es Christus Jesus entspricht,
damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt,
den Vater unseres Herrn Jesus Christus.
Darum nehmt einander an,
wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Ehre.
(…)
Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch
mit aller Freude und Frieden im Glauben,
dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung
durch die Kraft des Heiligen Geistes.


III. (Ungeduldig)
Ich bin oft ungeduldig.
Und bin da nicht stolz drauf.
Ich neige dazu, andere zu unterbrechen, wenn sie was sagen.
Viele Entscheidungswege in unserer Kirche sind mir zu mühsam.
Vor einem Fahrkartenautomaten stehen und warten, bis das Ticket kommt.
Ist das Internet mal wieder ganz langsam, muss ich schnell was anderes tun.
Mir einen Capuccino machen zum Beispiel.

Manchmal MUSS meine Geduld auch an ihr Ende kommen.
Wenn die Klimakonferenz in Kattowitz mal wieder endlos diskutiert,
aber keine wirklichen Ergebnisse gebracht hat.
Ich will endlich mal verbindliche Beschlüsse sehen.
Und dass sie umgesetzt werden.
Auch die Geduld der Jugendlichen in aller Welt ist endlich aufgebraucht.
Greta bestreikt seit Wochen jeden Freitag die Schule.
Zornig und voller Ungeduld steht sie geduldig da.
Jeden Freitag.
Seit vorgestern tun das auch Schüler und Schülerinnen in Deutschland.
Ich finde das gut.

IV. (Ungeduldiger)
Vielleicht bin ich mit meinen Jahren sogar ungeduldiger geworden.
Die Lebenszeit ist zu kurz für irgendwann.
Dumme Menschen ertrag ich immer weniger.
Und das hat nichts mit IQ zu tun.
Aber wenn ich wieder und wieder lesen muss,
dass auf der Liebe kein Segen liege,
wenn sie nicht der heterosexuellen Norm entspricht...
Oder wenn ich zum 100.Mal hören muss,
dass der Klimawandel ja gar nicht menschengemacht ist
und wir deshalb nichts dagegen tun können.
Oder die Mär von den geöffneten Grenzen
und einem gewollten Bevölkerungsaustausch
zum drölfzigsten Mal die Runde macht.

Ich versuche dann, geduldig zu argumentieren.
Komme mit Fakten. Frage geduldig nach.
Und am Ende hat das Gespräch trotzdem nichts gebracht.
Die Dummheit siegt. Mein Geduldsfaden reißt.

V. (Am Ungeduldigsten - diesen Teil verdanke ich Birgit. Danke!)
Am ungeduldigsten bin ich mit mir selber.
Ich müsste so viel eigentlich besser wissen.
Ich weiß, dass bestimmte Gespräche zu nichts führen.
Ich weiß, dass fast immer Zuhören hilft.
Ich weiß auch, dass ich nicht alles in der Hand habe
und die Welt nicht retten muss.
Ich weiß, dass ich allen Grund habe, zu vertrauen.

Ich weiß es.
Und ich weiß es nicht.
Ich wünschte, ich wüsste es.

Wünschte, ich hätte mehr Vertrauen.

Ich würde mich dann nicht mehr so viel vergleichen mit anderen.
Ich wäre irgendwie heiler. Und weiser.
Leuchtender. Unabhängiger. Liebevoller.
Geduldiger.
Aber ich bins nicht.

VI. (Heilige Ungeduld)
Aber ich muss es auch gar nicht sein!
Gottes Geduld genügt vollkommen.
So geduldig, wie er ist, werde ich nie sein.
Und soll ich auch nicht.
Denn Gott hat auch meine Ungeduld lieb -
die vielleicht sogar ganz besonders.
Nämlich dann, wenn es mir um was Gutes geht.
Die Gefahr der Ungeduld ist, dass sie mich unbarmherzig macht.
Aber wenn sie mich nur in eine heilige Unruhe versetzt,
damit ich mich an Unrecht nicht gewöhne:
Dann ist sie wichtig und gut.

Meine Ungeduld ist in bester Gesellschaft.
Schon Sarah - die Frau von Abraham - konnte eigentlich nur noch lachen,
als man ihr sagte, dass sie einen Sohn bekommen würde.
Zu lange hatte sie darauf gewartet.
Jesaja, der Prophet des Trostes, schreit seinen Gott zornig an.
Reiß endlich mal den Himmel auf, Gott!
Auch Jesus reißt der Geduldsfaden als er das Tempelareal betritt.
Ihm bleibt gar nichts anderes übrig, als erstmal die Tische umzuwerfen.
Aber alle diese wissen letztlich auch,
dass sie durch ihre Ungeduld nichts beschleunigen können.
So sehr sie sich auch danach sehnen.

VII. (Gottes Geduldsfaden)
Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch,
dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander,
wie es Christus Jesus entspricht.


Der Gott der Geduld spinnt uns zusammen.
Er nimmt die verschiedenen Fäden des Lebens in die Hand.
Geduldsfaden und Trostgarn, Liebeskordeln und Ungeduldsfäden.
Geduld und Trost schimmern golden und grün.
Liebe leuchtet feuerrot.
Aber Gott weiß, dass die Welt eben nicht nur aus Liebe besteht.
Und dass die Ungeduld ihren Platz hat. 

Gerade weil sie die Brüche sichtbar macht.
Und so spinnt er die Ungeduld mit hinein in unsere Seele.
Umgeben von Geduld und Trost, damit uns die Ungeduld nicht krank macht.

Nehmt einander an,
wie Christus euch angenommen hat.

Nimm auch deine Ungeduld an.
Auch der Ungeduldsfaden schimmert und leuchtet,
solange er dich nicht unbarmherzig macht.
Gott spinnt ihn mit seiner Geduld zusammen.

Und dann lernst du zuzuhören
und dennoch zu unterbrechen, wo es nötig ist.
Du lässt nicht locker,
aber gibst anderen die Zeit, hinterherzukommen.
Du hältst dich nicht für besser als die anderen,
aber du hältst deine Träume fest.

VIII. (Hoffnungsfaden)
Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch
mit aller Freude und Frieden im Glauben.
dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung.


Ja, das wünsche ich mir.
Denn Jesus kommt.
Daran halte ich mich fest.
Ein Hoffnungsfaden, der immer noch hält.

Gott kommt -
mitten hinein in meine Ungeduld.
In meine Sehnsucht, dass alles gut wird.
Und dass er eigentlich schon da ist.

Es kommt, worauf ich warte.
Das Leben. Die Liebe.
Weihnachten in mir drin.
Hoffnungsschimmer, die zum Sternenzelt werden.
Das kommt alles,
auch wenn ich ungeduldig bin,
unerleuchtet und viel zu herzensklein.
Es dauert einfach ein bisschen.
Und vielleicht auch immer noch zu lang.
Aber es kommt.
Weil Gott ein Gott der Geduld ist.
Geduldig mit mir und mit der Welt.

Und dieser Gott der Geduld spinnt seine Fäden mit meinen zusammen.
Und da reißt dann nichts auseinander.
Das Garn ist stabil und zart zugleich.
Gott näht damit diese zerrissene Welt zusammen. 

Stich für Stich.
Er näht mein Herz zusammen.
Meine Liebe und mein sehr ramponiertes Vertrauen.
Und deins auch.

Meine Hoffnungsfäden für Warvan und für meine Freundin lege ich Gott hin.
Und Gretas Ungeduld ebenfalls.
Gott nimmt diese Fäden auf.
Und er spinnt sie zusammen
und näht mit ihnen weiter an einer Welt,
die gut für uns alle ist.
Das dauert.
Ja, das dauert.
Vielleicht dauert das lang.
Aber so lange übe ich mich -
in geduldiger Ungeduld.

Und der Friede Gottes welcher höher ist als all unsere Geduld
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen