Montag, 4. Februar 2019

Non-Stop-Gottesdienst und Vesperkirche - gelebte Gnade

Was Kirchenasyl und das Reich Gottes miteinander zu tun haben...

Predigt zu 1.Korinther 1,4-9


I.
96 Tage hat er gedauert.
96 Tage Non-Stop-Gottesdienst in der Bethel-Kirche in Den Haag.
Organisiert haben den Dauergottesdienst die Pfarrer der Bethelkirche,
Jakob Korf und Axel Wicke.
Viele ökumenische Kollegen haben sich solidarisch erklärt.
Rund 600 Pfarrer beteiligten sich an der Aktion -
auch aus Deutschland und Belgien.
Sie kamen abwechselnd in die Bethelkirche, um dort zu predigen.
Denn so lange hier gepredigt wurde,
hatten staatliche Organe kein Recht die Kirche zu betreten.
Das schützte 96 Tage lang eine fünfköpfige armenische Familie.
Sie erhielt Kirchenasyl,
weil sie abgeschoben werden sollte.
Sie war in der Bethel-Kirche geschützt, solange gepredigt wird.

„Sogar eine Maus findet ein Haus,“
zitiert Pfarrer Korf einen Psalm.
„Wir handeln aus Nächstenliebe.
Wir verlieren auch nicht unseren Humor.
Wir predigen nur.“ (1)

II.
Paulus schreibt an die Gemeinde in Korinth:

Jedes Mal, wenn ich für euch bete,
danke ich meinem Gott für die Gnade,
die er euch durch Jesus Christus geschenkt hat.
Durch ihn hat er euch in jeder Hinsicht reich gemacht
– reich an ´geistgewirkten` Worten
und reich an ´geistlicher` Erkenntnis.
Er hat die Botschaft von Christus,
die wir euch gebracht haben,
in eurer Mitte so nachhaltig bekräftigt,
dass euch nicht eine von den Gaben fehlt,
die er in seiner Gnade schenkt.
Nun wartet ihr sehnsüchtig darauf,
dass Jesus Christus, unser Herr,
´in seiner ganzen Herrlichkeit` erscheint.
Gott wird euch die Kraft geben,
´im Glauben` festzubleiben,
bis das Ziel erreicht ist,
damit an jenem ´großen` Tag,
dem Tag unseres Herrn Jesus Christus,
keine Anklage gegen euch erhoben werden kann.
Ja, Gott ist treu; ´er wird euch ans Ziel bringen`.
Denn er hat euch dazu berufen,
´jetzt und für immer` mit seinem Sohn Jesus Christus,
unserem Herrn,
verbunden zu sein.
(2)

III.
Wir predigen nur. Sagt Pfarrer Korf aus Den Haag.
96 Tage gepredigt, um eine Familie zu retten.
Und sie haben es geschafft.
In der Nacht zum Mittwoch lenkte die niederländische Regierung ein.
Die Familie darf bleiben,
weil die Kinder in den Niederlanden aufgewachsen sind. (3)

„Gott hat die Botschaft von Christus, (…)
in eurer Mitte nachhaltig bekräftigt“

Diese Worte von Paulus reichen bis nach Den Haag.
Denn nichts anderes haben sie getan:
Die Botschaft von Christus gelebt, gebetet, gepredigt, verteidigt
bis zum Letzten.

„Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben.
Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben.
Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen.“
(4)

Diese Worte blieben nicht auf dem Papier.
Sie bekamen das Gesicht der vielen Helfer und Helferinnen,
der Pfarrer und der Musikerinnen.
Sie rochen nach frischem Brot und heißem Tee,
schmeckten nach Gemüseeintopf und Keksen.
Sie erfüllten die Choräle der Singenden
und schickten Twitter-Botschaften um die ganze Welt.
Ich bin eine armenische Familie gewesen
und ihr habt mich aufgenommen.

IV.
„Nun wartet ihr sehnsüchtig darauf,
dass Jesus Christus, unser Herr,
´in seiner ganzen Herrlichkeit` erscheint.“

Paulus spürt dieselbe Sehnsucht:
Dass das Reich Gottes wahr wird und spürbar.
Hier hat jeder Platz. Hier wird niemand abgeschoben.
Hier im Reich Gottes besitzen die Sanftmütigen das Erdreich,
Die mit dem reinen Herzen schauen Gott.
Und die Leidtragenden werden getröstet.
Diese Sehnsucht hat auch die niederländischen Geschwister getrieben.
„Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit;
denn sie sollen satt werden.“
(5)

V.
Brot und Wein, Gebet und Predigt, Lied und Gemüseeintopf,
5 Betten, eine Küche, ein Hinterhof der Kirche -
Zutaten ihrer Sehnsucht,
dass Jesus „in seiner ganzen Herrlichkeit erscheint.

Zutaten des Gottes Reiches.
Die sehe und schmecke und rieche ich auch hier
- hier in der Stadtkirche in diesen Wochen.
Eine Vesperkirche, die 500 Menschen jeden Tag ein Zuhause gibt.
Wer in der Wohnung niemanden mehr hat:
hier gibt es Menschen, die zuhören.
Wer die Heizung nicht mehr bezahlen kann,
hier kann er sich aufwärmen.
Eine neue Frisur. Endlich wieder schönes Haar.
Ein Lächeln beim Kaffee.
Eine Partie Mensch-ärgere-dich-nicht mit einem Unbekannten.
Ein belegtes Brötchen für zuhause.
Hier wird sichtbar, dass es in unserer Stadt viel zu viel Armut gibt.
Dabei ist unser Land so reich,
dass es sich sogar Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe leistet.

VI.
Korinth war keine perfekte Gemeinde,
unsere Stadtkirche ist es nicht
und die Bethel-Kirche in Den Haag auch nicht.
Aber alle sind getrieben von der Sehnsucht, dass Jesus sichtbar wird.
Dass spürbar wird: er ist unter uns.
Er, der die Hungernden und Dürstenden selig preist
und die Leidtragenden tröstet.
„Gott hat die Botschaft von Christus, (…)
in eurer Mitte nachhaltig bekräftigt“

Diese Worte von Paulus reichen bis nach Den Haag
und nach Pforzheim.
Damit wir nichts anderes tun:
Die Botschaft von Christus erbitten und predigen.
Und sie verteidigen bis zum Letzten.

„Jedes Mal, wenn ich für euch bete,
danke ich meinem Gott für die Gnade,
die er euch durch Jesus Christus geschenkt hat."

Ja, es ist gelebte Gnade, wenn Menschen hier Gottes Liebe spüren.
Und es ist gelebte Gnade, die in Den Haag spürbar war.
Denn die Liebe Gottes gilt allen Menschen.
Und sie stellt sich schützend vor sie.
Zur Not auch gegen staatliche Kräfte.

VII.
Die Korinther, an die Paulus schreibt, waren ziemlich zerstritten.
Er hat im ganzen Brief sehr viel an ihnen auszusetzen:
Wie sie mit den Armen in ihren Reihen umgehen.
Und wie überheblich sie sind in ihrem Glauben.
Dennoch entdeckt er auch unter ihnen Teilchen der Liebe Gottes.
Gnadenstücke, wenn sie Brot teilen.
Selbst wenn alles Stückwerk ist und dies sogar für alle Erkenntnis gilt:
Wo Liebe gelebt wird, ist Jesus da.
Und wenn die Sehnsucht nach dieser Liebe wach bleibt,
Dann ist das schon Grund zum danken.

Wir als Kirche sind nie vollkommen.
Wir machen Fehler.
Zum Teil auch wirklich unentschuldbare.
Jahrhunderte lang wurden Liebende gedemütigt.
Nur weil ihre Liebe nicht der Norm entsprach.
Man hielt Sklaverei für gottgegeben
und schaute weg, als Juden ermordet wurden.

Umso wichtiger ist es, dass wir uns nun an die Seite der Verfolgten stellen.
Dass wir Menschen schützen.
Und den Leidtragenden und Hungernden und Armen beistehen.
Für sie da sind.
Egal woher sie kommen
und was sie glauben und wen sie lieben.
Wenn dies geschieht - dieses Für-sie-da-sein,
dann bin ich dankbar.
Und darum bin ich dankbar für die Vesperkirche hier
Und dankbar für den 96-Tage-non-stop-Gottesdienst in Den Haag.

Sowas zeigt mir, dass Jesus da ist.
In kleinen Stücken wie im Brot
und wie in einer Tasse Kaffee
oder einer Non-Stop-Predigt,
die eine armenische Familie schützt.

„Wir handeln aus Nächstenliebe.
Wir verlieren auch nicht unseren Humor.
Wir predigen nur.“

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.


(1) https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.kirchenasyl-in-den-haag-dauergebet-statt-abschiebung.f11a5815-369a-4685-ad4e-cce055658c01.html
(2) 1. Korinther 1,4-9 nach "Neuer Genfer Übersetzung"
(3) https://www.ekhn.de/aktuell/detailmagazin/news/kirchenasyl-nach-3-monaten-dauergottesdienst-beendet.html
(4) Matthäus 25,35
(5) Matthäus 5,6

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