Predigt zu Pfingsten
Grundlage ist die Pfingstgeschichte - nachzulesen in Apostelgeschichte 2 - und ein Gedicht von Wilhelm Willms "der heilige geist ist ein bunter vogel".
Im Gottesdienst wurde die Bach-Kantate "O ewiges Feuer, o Ursprung der Liebe" aufgeführt - ein paar Anspielungen darauf gibt es in der Predigt.
Ich möchte wieder 2 Prediger*innen danken, deren Worte ich für 2 Abschnitte weitergestrickt habe:
Michael Greßler (Teil III) und Susanne Dannenmann (Teil IV).
I. (bunter Vogel)
der heilige geist
er ist nicht schwarz
er ist nicht blau
er ist nicht rot
er ist nicht gelb
er ist nicht weiss
der heilige geist ist ein bunter vogel
er ist da
wo einer den andern trägt
der heilige geist ist da
wo die welt bunt ist
wo das denken bunt ist
wo das denken und reden und leben gut ist
der heilige geist lässt sich nicht einsperren…
(Wilhelm Willms)
II. (raus gehen)
Der Heilige Geist lässt sich nicht einsperren. Niemals.
Selbst wenn wir es versuchen.
Der Heilige Geist geht raus. Raus auf die Straßen,
Raus auf den Leopoldsplatz, dort teilt er sich eine Zigarette mit den Jugendlichen.
Er fährt Achterbahn auf dem Messplatz
und kauft auf dem Markt Pfingstrosen und Kirschen.
Beides rot wie die Liebe.
Der Heilige Geist geht raus ans Meer und lässt sich weit treiben.
In den Wald saust er
und macht auf dem Baumwipfelpfad Purzelbäume oder springt von Ast zu Ast .
Von Kopf zu Kopf wie Feuerzungen.
Von Herz zu Herz. Von Mensch zu Mensch.
Der Heilige Geist hält sich nicht an Mauern und Türen,
er reißt unsere Fenster weit auf und wirbelt alles auf.
Er ist nicht zu bändigen in Buchstaben und nicht in Flaschen zu ziehen.
III. (Landebahn)
Der Heilige Geist lässt sich nicht einsperren.
Und er ist unberechenbar - auch für die Freunde und Freundinnen von Jesus.
Jesus hatte ihnen versprochen: Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen.
Aber wann würde das passieren und wie und wirklich jeder?
Alles das wissen sie nicht. Wie auch?
Aber eins können sie tun:
dem Heiligen Geist eine Landebahn bereiten.
Und das tun sie.
Sie kommen zusammen. Keiner bleibt für sich.
Keiner zieht sich raus oder zurück ins alte Leben. Sie treffen sich Tag für Tag.
Und sie reden vom Reich Gottes. Und von Jesus.
Und sie bleiben offen für das, was passieren würde.
Und dann – auf einmal ist alles da.
Und das kam, weil sie zusammen waren. Zusammen blieben.
Wären sie auseinandergelaufen, ein jeder in das Seine – es wäre wohl nichts passiert.
Hätten sie alle nur an sich gedacht –
an sich selbst und ihren Vorteil und an ihr Land und an ihr Volk –
es wäre nur Trennung geblieben
und Angst und Haß und ein egoistisches Wesen.
Der Geist hätte keine Chance gehabt.
Hat er aber. Er konnte landen.
Und er nimmt sich Raum. In ihren Herzen und Köpfen.
Alles ist so voll Geistesgegenwart und Liebe, dass das Obergemach zu klein wird.
Und sie müssen raus. Raus auf die Straßen von Jerusalem.
IV. (Tanz der Wörter)
Der Heilige Geist landet hier in Pforzheim.
Und er ruft: Kommt raus. Heraus aus euren Zimmern.
Klappt die Laptops zu. Schmiert euer Brötchen nicht zu Ende.
Werft euch irgendwas über, eine Jacke oder auch nur einen Morgenmantel.
Kommt raus auf die Straße.
Dort ist Musik. Die wunderbaren Töne von hier kommen noch dazu.
Dort hängen Plakate am Stadttheater, die von einer Solidarity City träumen.
Dort tanzen Bilder in der Bahnhofsunterführung und machen sie zu einem magischen Ort.
Dort tanzen Wörter wie Feuerzungen im 3/4 Takt, vom Wind bewegt.
Entdeckt sie. Hört auf sie.
Geistwörter.
Fremd und vertraut zugleich.
Sie schlüpfen in eure Ohren. Sie füllen euren Mund.
Sie dehnen den Raum in euren Herzen.
Und stecken an, eine nach dem anderen, mit Freude, mit unbändiger Lebenslust.
Alle reden. Begeistert. In allen Sprachen.
Schwäbisch und badisch. Sächsisch und norddeutsch. Tamil und russisch.
Eine alte Frau findet strahlend zu ihrem Ostpreußisch zurück.
Die Familie mit türkischen Wurzeln darf endlich in der Sprache ihrer Mütter ihren Traum von Glück bejubeln, ohne dass man sie schräg anschaut
Die Jungen, die Alten, Männer und Frauen: alle verstehen sich lächelnd.
Vom Leben reden sie, von nichts anderem als vom Leben.
Von Gottes großer Tat: Er hat die Zellteilung der Liebe in Gang gesetzt.
An die Häuser gedrängt lehnen Skepsis und Angst.
Kraftlos hält sich der Hass an der Mauer fest.
(Ausgerechnet dort, wo vor 4 Wochen das Grundgesetz aufgesprüht wurde)
Und die, die sich von diesen Ungeistern treiben lassen,
verschränken fest die Arme über ihrer Brust und halten sich vom Brausen fern.
Am liebsten würden sie einen Stacheldraht ziehen, der die fremden Sprachen aussperrt.
Der Heilige Geist spricht doch wohl deutsch, oder etwa nicht?
Und diese schulstreikenden Jugendlichen. Das geht doch nicht.
Und die tanzenden Kinder vor dem AfD-Parteitag - in allen Hautfarben.
Weg mit ihnen, rufen die Ungeister.
Und haltet die Rettungsschiffe im Mittelmeer auf!
Doch den Tanz der Wörter können sie nicht aufhalten.
Und den der Feuerzungen auch nicht.
Der Heilige Geist ist schon längst gelandet.
Lassen wir ihn frei.
V. (Alt und jung)
der heilige geist ist ein bunter vogel
er lässt sich nicht einsperren
Er hält sich noch nicht mal an das Alter.
Er lässt die Alten Träume träumen, die sie aufrichten.
Ja, auch sie lassen sich nicht bremsen, weder von körperlichen Gebrechen
noch von Ungeistern, die ihnen einflüstern, sie sollten doch schön zufrieden sein
und alles beim Alten lassen.
Die Zukunft ihrer Enkel ist ihnen so wichtig, dass sie sich zusammen tun.
Und ich sehe die Omas gegen Rechts, die parents for future
und unseren EKD-Ratsvorsitzenden, der die seawatch in Sizilien besucht.
Und ich erlebe weise und zornige Alte hier in Pforzheim:
die stellen sich schützend vor unsere jüdischen Geschwister
und nur die Polizei kann sie davon abhalten, ein volksverhetzendes Plakat abzuschneiden.
Die Heilige Geist krempelt das Unterste nach Oben.
Die Jungen haben Visionen und machen ihren Mund auf.
Eine Greta Thunberg, die Fridays-for-future-Kids, ein Youtuber:
Alle sie wirbeln ein ganzes Parteiensystem durcheinander
und rücken die Themen nach vorne, auf die es ankommt.
Geistesgegenwart pur.
Die Jungen und die Mägde und Knechte haben was zu sagen, sagt Petrus.
Der Geist Gottes hält sich nicht an unsere Maßstäbe, ab wann man was zu melden hätte.
Er schickt die auf die Straße, von denen wir allzu leicht meinen, dass sie dort nicht hingehören.
Und so treten die Jungen in die Fußstapfen der alttestamentlichen Propheten
wie ein Jesaja und ein Amos: die haben sich auch nicht stoppen lassen.
Und die haben laut gesagt,
dass der Geist Gottes auf der Seite der Benachteiligten und der Schwachen ist.
Und dass wir nur miteinander die Welt gestalten können.
VI. (Herzen entzünden)
der heilige geist ist ein bunter vogel
er ist da - wo einer den andern trägt
der heilige geist ist da
wo die welt bunt ist
wo das denken bunt ist
wo das denken und reden und leben gut ist
Entzünde unsere Herzen, Heiliger Geist.
Sei "ewiges Feuer" in uns. Lass uns rot leuchten.
Ich will brennen für deine Liebe zu allen Menschen, zum Leben in einer bunten Welt.
Ich will deinen Funken raus tragen und hierher in die Kirche holen.
Ich will eine Welt, in der es summt und lebt.
Alle teilen miteinander, was ihrs ist,
und sie verstehen sich, kommen zusammen im Tanz der Wörter.
Wörter wie Feuerzungen, vom Wind bewegt im 3/4 Takt.
Und Gott mitten drin.
Komm, Heiliger Geist,
weite unsere Lebensräume, weite unsere Herzen.
Bring die Alten zum Träumen. Verlock die Jungen zu Visionen. Vertreib die Ungeister.
Und irgendwann, ja irgendwann,
da lassen sogar sie sich anstecken - von dir und deiner Kraft.
Komm, Heiliger Geist.
Amen.
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