Montag, 16. August 2021

Liebeserklärung Gottes

Gerufene Namen. Prophetische Zusagen. Erwünschtes Gotteskind.

Predigt zu Jesaja, 43, 1-7 (gehalten am 11.7.2021 in der Stadtkirche)
Mit Dank für Anregungen von Anne Gideon und Marei Röding)


1. Kind Gottes

Und nun spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob,
und dich gemacht hat, Israel:


Gott spricht. Kein anderer.
Geschaffen bist du, sagt Gott.
Geschaffen. Gewollt. Erwünscht. Willkommen. Geliebt. Das kann niemand zerstören.
Auch nicht die, die dich nicht willkommen heißen. Oder die dir was vormachen.
Noch nicht mal du selbst. Geschöpf Gottes. Kind Gottes.

Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst;
ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!


2. Geliebte Gottes

Ich bin dein und du bist mein. Liebeserklärung Gottes
Du gehörst zu Gott. Nichts kann euch trennen.
Du bist unverwechselbar. Etwas ganz Besonderes.
Kein namenloses Etwas, keine Nummer, sondern du.
Maria, Helmut, Andreas, Birgit, Ruth, Ahmet, Machally.

Du hast einen Namen. Den haben dir deine Eltern gegeben.
Menschen, die dich lieben.
Benjamin, Christiane, Kord, Martina, Regine, Fritz, Roland, Maddie.

Du hast einen Namen, den ich rufen kann.
Und du schaust hoch und schaust mich an und ich schau dich an.
Sabine, Katharina, Esther, Mardan, Rami, Gerhard, Mirzeta, Anny, Lio.

Es gibt und gab schon immer Tyrannen oder politische Systeme,
die die Namen auslöschen wollten.
Und es gibt und gab schon immer Menschen, die das verhindert haben.
Gott lässt das nicht zu. Schickt Menschen, die aufpassen.
Amnesty international. Die Mütter an der Plaza del Mayo. Stolpersteine.
Damit die Namen bleiben. Damit du bleibst.
Du besonderer unverwechselbarer Mensch

3. Prophetenworte I

Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein,
und wenn du durch Ströme gehst, sollen sie dich nicht ersäufen.
Wenn du ins Feuer gehst, wirst du nicht brennen,
und die Flamme wird dich nicht versengen.


Da ist ein Prophet und schreibt für Menschen im Exil.
Ihr Sehnsuchtsort ist weit weg.
An den Wassern von Babylon sitzen sie und weinen.
Sehnen sich nach der alten Heimat Israel.
Träumen davon nach Hause zu kommen.
Wollen ihr Leben zurück.
Das von früher. Bevor die Gewalt sie ins Exil gebracht hat.
Bevor Nebukadnezar 586 vor Christus Jerusalem eingenommen hat,
den Tempel zerstörte und die Stadt Jerusalem.
Wer überlebte, floh, wird verbannt, durfte nicht wieder zurückkehren.  

Da sitzen die Menschen aus Israel, weit weg von Zuhause am Euphrat und warten.
Warten und warten.
Da hört man auf so manche Stimme. Schwarzredner, Verschwörungskünstler.
Haben wir überhaupt eine gute Regierung?
Machen die das nicht für die eigene Tasche?
Ist das in Israel überhaupt gefährlich zur Zeit? Wir wollen zurück. Wie früher soll es sein!

Dagegen die Prophetenstimme - sie ist unbequem:Es wird nie wieder wie früher.

4. Prophetenworte II

Aber die Prophetenstimme sagt auch Seliges:
Fürchte dich nicht!
Propheten sind Gottes Stimme.
Sie sagen „ich“ und meinen damit Gott.
Sie sagen „du“ und meinen dich.
Propheten sprechen von Sehnsucht und von Heimat.
Und davon, keine Angst mehr haben zu müssen.
Und zu Gott zu gehören.

Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst.
Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein,


Wenn du nicht weißt, ob dein Geschäft sich noch lohnt,
weil du zu lange nichts verkaufen konntest -
will ich bei dir sein.
Wenn die Nachrichten über die Delta-Corona-Variante über dir zusammenschlagen -
will ich bei dir sein.
Wenn dein Sohn nicht mehr mit dir redet
und du hast Angst, dass ihr nie wieder zusammenkommt -
will ich bei dir sein.
Wenn du vor lauter Erschöpfung nicht schlafen kannst -
will ich bei dir sein.
Wenn du nicht weißt, wie du das nächste Schuljahr schaffen sollst -
will ich bei dir sein.
Wenn dir vor dem nächsten Arztbesuch graut -
will ich bei dir sein.

Weil du teuer bist in meinen Augen und herrlich und weil ich dich lieb habe,

5. Heimat finden

So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir.

Seit einigen Wochen lebt eine junge Frau bei uns.
Sie kommt aus Kolumbien und ist nun in die Heimat ihres Großvaters gekommen.
Hierher - nach Deutschland. Heimat oder Exil?
Sie sieht in Kolumbien keine Perspektive mehr für sich.
Das politische System ist zu korrupt und zu chauvinistisch.
Corona breitet sich nahezu ungebremst aus. Die Wirtschaft am Boden.
Nun ist sie hier - mit ihrem deutschen Pass dank ihres Großvaters.
Versucht Fuß zu fassen in der Fremde.
Mitten in der Pandemie ist das schwer für eine junge Frau, die kaum Deutsch spricht.

Sie hat Angst.
Angst um ihren Vater in Kolumbien, der vor 3 Jahren Krebs hatte.
Ob er den Krebs besiegt hat?
Und ob er endlich seine Rente bekommen wird?
Sie hat Angst um ihre Schwester in Kolumbien, die nun auch Covid bekommen hat.
Und Angst um ihre Freunde und Freundinnen,
die auf die Straße gegangen sind und gegen die Regierung protestiert haben.
Sie wurden brutal niedergeknüppelt.
14/15 jährige mussten ins Krankenhaus gebracht werden.
Was wird mit ihnen geschehen?

So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir.

Ich weiß, dass ich das meinem Gast nicht einfach so sagen kann.
Die Gefahr ist groß, dass das nach billigem Trost klingt.
Aber ich nehme sie immer wieder in den Arm.
Ich weiß, dass ihr mein Essen schmeckt, das ich ihr koche.
Und wir reden. Mehr auf englisch als auf deutsch. Und meistens am Abend.
Wir versuchen, ihr ein Stück Zuhause zu geben - auch wenn wir oft nicht da sind.
Wir haben Platz. Warum also nicht?
Und vielleicht nimmt es etwas von der Angst weg?

6. Mit Gotteskindern auf dem Weg

Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln,
ich will sagen zum Norden: Gib her!, und zum Süden: Halte nicht zurück!
Bring her meine Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde,
alle, die mit meinem Namen genannt sind,
die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe.


Du, Kind Gottes, Sohn, Tochter.
Du mit deinem Namen - verbunden mit dem Namen Gottes.
Geschaffen, gewollt, erwünscht.
Getauft und ungetauft, aber immer geliebt.
Du Kind Gottes vom Süden und vom Norden, vom Osten und vom Westen.
Du mit deiner Angst und mit deiner Sehnsucht nach einem Zuhause.
Du bist hier und Gott ist hier.
Und ihr beide gehört zusammen und Gott geht deinen Weg mit dir.
Auf deinem Weg sind auch die anderen Gotteskinder.
Mit ihren Ängsten und ihren Sehnsüchten.
Entdecke sie, lerne ihre Namen kennen.
Denn auch sie gehören zu Gott.
Lass dir von niemandem das Gegenteil einreden.

Gott hat euch beim Namen gerufen.
Fürchtet euch nicht.

Amen.

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