Donnerstag, 22. Oktober 2015

Unvollständiges zu den Worten der Woche

Christus spricht: Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.
Matthäus 24,35 (Tageslosung vom 23.10.2015)


Was für eine Woche liegt hinter uns?
Eine Flut von Hass- und Schmähkommentaren
auf der Facebook-Seite von Diakonie Deutschland.
Es geht um ein Willkommensarmband!
Ja, Kirche und Diakonie sind in den Fokus der Rechten geraten. 
So bekommt die Geschäftsführerin des Pforzheimer Diakonischen Werks 
von Leuten auf der Straße zu hören, 
dass sie aus der Kirche austreten würden, 
wenn diese sich weiterhin für die Flüchtlinge einsetze. 

Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.

Da sticht am Samstag morgen ein Rechtsradikaler die OB-Kandidatin Reker nieder
- auf einem Kölner Marktplatz
Gott sei Dank, dass sie den Angriff überlebt. 
Die Polizei muss sich erst von der Antifa sagen lassen, 
dass der Täter vor 20 Jahren Mitglied der verbotenen FAP war. 
Auf den rechten Internetseiten tummelt sich die Häme. 
Natürlich wird zunächst ein Migrant als Täter vermutet 
("Deutsche benutzen keine Messer")... 
Als bekannt wird, dass ein Deutscher ist, 
wird auch noch die Politik des Opfers für schuldig erklärt. 
Das erinnert mich an die Vergewaltigungsopfer, 
die mit ihrem kurzen Rock "provoziert" hätten....

Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.

Da hält am Sonntag morgen der Friedenspreisträger Navid Kermani eine unglaubliche Rede*, 
die die Hörenden tief bewegt - 
mit ihrer Herzenswärme 
wie mit ihrer Liebe zur islamischen Poesie 
und zum Mut syrischer Pater. 
Kermani spricht vom unverantwortlichen Konfessionalismus, 
der Syrien bedroht und in Europa befördert wird. 
Er bringt so große Sätze wie 
"Wer als Muslim nicht mit ihm hadert, nicht an ihm zweifelt, nicht ihn kritisch befragt,
der liebt den Islam nicht."
Dasselbe könnte ich auch von meinen Zweifeln,
meinem Hadern
und meiner Liebe zum christlichen Glauben
sagen.

Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.

Kermani spricht mir aus der Seele.
Ich finde mich wieder in Kermanis Bekenntnis,
dass der Koran vor allem Poesie ist
und nur poetisch verstanden werden kann.
Ich glaube, das gilt auch für die Bibel -
zumindest zum größten Teil.
Ich finde mich wieder in seiner Trauer
angesichts der Zerstörung reicher Kultur
nicht nur durch die Panzer des IS,
sondern auch durch Kommerzialisierung.
Und ich finde mich wieder in der Hoffnung Kermanis,
genährt von Muslimen,
die den entführten christlichen Pater befreien.
"Das muss auch uns Hoffnung geben,
dass die Liebe
über die Grenzen der Religionen, Ethnien und Kulturen hinaus wirkt."

Und dann das Ende seiner Rede,
wo er zum Gebet aufruft
und die Agnostiker zu guten Wünschen für die Christen in Syrien.
Er, der Muslim,
erfüllt von einer verzweifelten Liebe
zu diesen hingebungsvollen und aufrechten Menschen,
die in einem von der Welt in Stich gelassenen Land leben,
er betet für diese nichtmuslimischen Menschen,
voller Hochachtung, Demut und Respekt.
Erfüllende Worte.

Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.

Solche Worte brauchen wir.
Worte der Liebe.
Worte des Zweifels.
Worte der Sehnsucht.
Worte der Verzweiflung.
Worte der Demut.
Worte der Hoffnung.
Worte des Herzens.
Worte der Vernunft.
Worte Gottes.

Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.

Montag abend dann wieder ganz andere Worte.
Fragwürdiges Jubiläum von Pegida.
Die schlimmsten Worte von Perincci
(die ich hier nicht zitieren werde!).
Fäkalworte.
Verletzende Worte.
Hassworte.
Schmähworte.
Menschenverachtende Worte.
Und er gefällt sich so in seinen Worten.
Genießt sie.
Obwohl sie voller Gift sind.
Und brand-gefährlich.
Nun sind endlich die Verlage aufgewacht.
Wollen seine Bücher nicht mehr.
Haben sie seine Worte früher nicht gelesen?
Die waren genauso voller Gift und Hass.
Da vergeht mir alles....

Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.

Und ich bin froh über Worte von Friedmann*:
"Wer Menschenhass ausspuckt,
und wer daneben steht, ohne zu reagieren,
macht sich mitverantwortlich,
wenn aus geistiger Brandstiftung brennende Häuser werden."

Zwischen Kermani und Perincci liegt nicht nur eine Welt,
sondern ein ganzes Universum.
Der eine faselt vom Abendland mit hohlen Phrasen
und giftigen Worten,
der andere verbindet Abendland und Morgenland
und gestaltet so eine Welt,
die lebenswert sein könnte.
Der eine spuckt und "kotzt",
der andere spricht und wählt und hält inne.
Der eine hasst,
der andere liebt.
Der eine ist hochmütig,
der andere demütig.

Und ich hoffe,
dass Liebe
und Demut
und Innehalten
und Respekt
sich durchsetzen.
Denn:
Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.

* http://www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de/819312/
*http://www.bz-berlin.de/deutschland/friedman-ueber-die-radikalisierung-des-braunen-mobs

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