Sonntag, 27. November 2016

Mitten ins Leben

Predigt zum 1.Advent und zum Lied "Nun komm, der Heiden Heiland" 

Das Lied wurde während der Predigt gesungen. 
Unmittelbar vor der Predigt sang der Jugendchor eine Vertonung von Jesaja 11
und davor wurde das Evangelium aus Matthäus 21 (Jesu Einzug in Jerusalem) gelesen.
Ein weiterer wichtiger Hintergrund zur Predigt: 
Es war ein gemeinsamer Gottesdienst von 2 Gemeinden, die in den vergangenen Wochen visitiert wurden (= besucht von der Kirchenbezirksleitung). Die beiden Gemeinden werden in Zukunft noch mehr miteinander kooperieren, was in der Vergangenheit immer wieder zu Komplikationen geführt hat.

I.
Der Heiland kommt.
Jesus kommt. Mitten hinein in die Stadt.
Hierher. In den Posaunenchor. In den Jugendchor.
In die Ältestenkreise von M... - und C....gemeinde.
In die Visitationskommission.
In das Quartier.

Der Heiland kommt.
Der, der als König gefeiert und als Messias erhofft wird.
Der, von dem Jesaja sagt und der Jugendchor singt.
Einer mit dem Geist Gottes.
Einer an der Seite der Armen.
Der Heiland mischt Staub und Speichel, um damit einen Tauben hörend zu machen.
Er spricht die Friedensstifter selig
und reitet selber mit provokanter Schlichtheit als Friedensbringer auf einem Esel.
Für ihn werden die Palmen gewedelt und Mäntel in den Staub gelegt.
Tore werden geöffnet und laut hört man das „Hosianna, du Sohn Davids“.
Zöllner klettern seinetwegen auf Bäume und Frauen stiften ihr kostbarstes Öl.
Denn sie freuen sich, dass er kommt.
Dass er in ihr Leben kommt. Mit ihnen zu tun haben will.
Obwohl sie doch überhaupt nicht wichtig sind.
Gerade zu ihnen, die so oft hören: was willst du hier?
Oder: wer bist du schon?

II.
Ja, zu ihnen kommt der Heiland. Und auch hierher in die Kirche.
Festlich und erhaben. Schlicht und bescheiden.
Alles zugleich. So sind wir hier. Und so singen wir zum Heiland:

1. Nun komm, der Heiden Heiland, der Jungfrauen Kind erkannt, 
    dass sich wunder alle Welt, Gott solch Geburt ihm bestellt.
2. Er ging aus der Kammer sein, dem königlichen Saal so rein, 

    Gott von Art und Mensch, ein Held; sein' Weg er zu laufen eilt.
3. Sein Lauf kam vom Vater her und kehrt wieder zum Vater, 

    fuhr hinunter zu der Höll und wieder zu Gottes Stuhl.
4. Dein Krippen glänzt hell und klar, die Nacht gibt ein neu Licht dar. 

    Dunkel muß nicht kommen drein, der Glaub bleib immer im Schein.
5. Lob sei Gott dem Vater g'tan; Lob sei Gott seim ein'gen Sohn, 

    Lob sei Gott dem Heilgen Geist immer und in Ewigkeit.

„Nun komm, der Heiden Heiland“ - über lange Zeit der Adventschoral schlechthin.
Gedichtet von keinem Geringeren als Martin Luther im Jahr 1524.
Als Vorlage hatte er dafür einen alten lateinischen Hymnus aus dem 4.Jahrhundert
von Ambrosius aus Mailand.
Im Vorgängergesangbuch vor unserem heutigen
war „Nun komm, der Heiden Heiland“ noch die Nummer 1.
Das war kein Zufall.
Das war Programm. Sozusagen die Ansage für den Advent.
Wer das erste Lied aufschlägt, soll sofort erfahren, worum es geht.
Der Heiland kommt. Mitten ins Leben.

III.
Nun komm, der Heiden Heiland!
Alte Worte, eigentümliche Versform, geballte Theologie.
Die ganze Geschichte der Menschwerdung Gottes in wenigen Strophen.
Und viel zum Stolpern.

Da sind die Heiden.
Ja, die Völker sind das. Die, die eben nicht Israel sind.
Heiden: Kein Negativ-Begriff für die sogenannten Verlorenen,
wie er sich im Laufe der Geschichte entwickelte.
Sondern - ein Wort für alle, die auf der Suche nach Gott sind,
nach Wahrheit und Erlösung, für alle, die nicht sicher sind, ob sie zu Gott gehören.
Heiden sind Menschen auf der Suche nach Gott.
Also ich und du. Wir hier.

Darum, liebe Heiden von Pforzheim, euer Heiland soll kommen.
Der Heiland ist der, der heil macht, der ganz macht, was kaputt ist.
Jesus heilt den blinden Bartimäus und die blutflüssige Frau.
Er richtet die gekrümmte Frau auf und stellt sich vor die Ehebrecherin.
Der Heiland erquickt die mühselig Beladenen und nimmt die Kinder in den Arm.
Er bringt einfache Hirten und weise Gelehrte in einem Stall zusammen,
und kündigt noch am Kreuz den Verbrechern das Paradies an.
Und durch ein Stückchen Brot bringt der Heiland selbst den Feind an seinen Tisch.

IV.
Dieser Heiland lässt nicht alles beim Alten.
Er kommt, um zu bewegen. Die, die ihn suchen. Die Gott suchen.
Er kommt und bringt Menschen zusammen, die von alleine nicht auf die Idee kommen würden.
Er wendet ihren Blick von sich auf die anderen, auf die, die Hilfe brauchen.
Und dafür genügt ein Glaube, der so klein ist wie ein Senfkorn.

Und darum macht er sich selber ganz klein.
Der Heiland kommt mitten hinein ins Leben.
Dort wo es nur allzu menschlich zu geht.

Wir singen nocheinmal die Strophen 2 und 3:
2. Er ging aus der Kammer sein, dem königlichen Saal so rein, 
    Gott von Art und Mensch, ein Held; sein' Weg er zu laufen eilt.
3. Sein Lauf kam vom Vater her und kehrt wieder zum Vater, 

    fuhr hinunter zu der Höll und wieder zu Gottes Stuhl.

V.
Der Heiland kommt mitten hinein ins Leben.
Gott bleibt nicht im Himmel, sondern wird Mensch.
Gott und Mensch kommen zusammen
Königlicher Saal und jämmerlicher Stall -
Himmel und Hölle,
Dunkel und Hell.
Galadinner und Vesperkirche.
Stroh und Palmenzweige.
Weihnachtsoratorium und Klagegesang.
„Macht hoch die Tür“ und „Auch wer zur Nacht geweinet“
Hosianna und Kreuziget ihn.
Alles das. Alles das ist das Leben. Unser Leben.
Und da hinein, in dieses Leben mit allem, was es so liebenswert und grausam macht, begibt sich der menschgewordene Gott.

Der Heiland ist göttlich anders und doch menschlich wie wir.
Es genügt, dass er das Kind einer einfachen jungen Frau ist,
die Jungfrau - mehr braucht es nicht, um Heiland für die Menschen zu sein,
keine mächtigen Männer, keine großen Herrscher oder Ahnentafeln.
Kein Pass über eine legale Einreise. Kein Adelsprädikat.
Keine Unterhaltserklärung. Kein Beweis.
Sondern das Menschsein pur.
Schwach wie ein Kind, aber gerade in dieser Schwäche stark.
Gefährdet wie ein schutzloser Säugling. Und gerade deshalb glaubwürdig.
Geboren in einer Absteige und schmachvoll sterbend draußen vor den Stadtmauern.
Und gerade dadurch der Hoffnungsträger derer, die an den Rändern unserer Gesellschaft leben.

VI.
Nun komm, der Heiden Heiland!
Der Heiland kam mitten ins Leben von Martin Luther.
Das hat ihm die Augen geöffnet.
Ein Gott, der ganz an meiner Seite ist, der sich in mein Leben begibt, das ist ein gnädiger Gott.
Das ist ein Gott, der mich frei macht von der Angst, etwas nicht richtig zu machen.
Denn auch das, was ich falsch mache, trägt er mit.
Dieser Heiland, der mitten ins Leben kommt, ist kein gleichgültiger Gott.
Er lebt mit. Er weint mit. Freut sich mit.
Lacht. Genießt. Er jubelt. Und klagt.
Der Heiland kommt mitten ins Leben.
Und er bewegt. Weil er verändert. Neu macht.
Weil der Himmel aufgerissen wird.
Weil Himmel und Erde zusammenkommen.
Und das sollte sogar die Kirche verändern.

So wird es auch hier geschehen. In den Gemeinden der XRegion.
Der Heiland kommt - mitten in die Xregion.
Und er bewegt. Er führt euch hier zusammen. Und verändert euch.
Euch, die ihr Gott sucht und die ihr zweifelt und klagt
und die ihr euch freut und mal etwas Neues ausprobiert, egal ob es Erfolg hat.
Er öffnet euch die Augen füreinander.
Er lässt euch sehen, was die anderen brauchen von euch.
Was ihr voneinander braucht und was ihr einander geben könnt.

Der Heiland lässt euch gemeinsam neue Wege gehen.
Dorthin, wo die anderen Gottsucher sind.
Mutig, denn eure Ängste könnt ihr ihm überlassen.
Und das, woran euer Herz hängt, auch.
Wenn euer Glaube so groß ist, wie ein Senfkorn, genügt es.

Der Heiland kommt - und reißt die Himmel auf.
Denn er kommt mitten ins Leben. In deins und meins.
Amen.

Lied: O Heiland, reiß die Himmel auf....

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