Predigt zu Lukas 3,1-14
(geändert und aktualisiert zum 3.Advent 2017)
mit Dank an Michael Greßler, Silke Wolfrum, Peter Michael Schmudde und Martina Servatius für einige Formulierungen
Im fünfzehnten Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius,
als Pontius Pilatus Statthalter in Judäa war
und Herodes Landesfürst von Galiläa
und sein Bruder Philippus Landesfürst von Ituräa und der Landschaft Trachonitis
und Lysanias Landesfürst von Abilene,
als Hannas und Kaiphas Hohepriester waren,
da geschah das Wort Gottes zu Johannes,
dem Sohn des Zacharias (und der Elisabeth),
in der Wüste.
Und er kam in die ganze Gegend um den Jordan
und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden,
wie geschrieben steht im Buch der Worte des Propheten Jesaja (Jesaja 40,3-5):
»Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste:
Bereitet den Weg des Herrn, macht seine Steige eben!
Alle Täler sollen erhöht werden,
und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden;
und was krumm ist, soll gerade werden,
und was uneben ist, soll ebener Weg werden,
und alles Fleisch wird das Heil Gottes sehen.«
Da sprach Johannes zu der Menge,
die hinausging, um sich von ihm taufen zu lassen:
Ihr Otterngezücht,
wer hat euch gewiss gemacht,
dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet?
Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße;
und nehmt euch nicht vor zu sagen:
Wir haben Abraham zum Vater.
Denn ich sage euch:
Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken.
Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt;
jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.
Und die Menge fragte ihn und sprach:
Was sollen wir nun tun?
Er antwortete aber und sprach zu ihnen:
Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat;
und wer Speise hat, tue ebenso.
Es kamen aber auch Zöllner, um sich taufen zu lassen,
und sprachen zu ihm:
Meister, was sollen denn wir tun?
Er sprach zu ihnen:
Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist!
Da fragten ihn auch Soldaten und sprachen:
Was sollen denn wir tun?
Und er sprach zu ihnen:
Tut niemandem Gewalt noch Unrecht
und lasst euch genügen an eurem Sold!
I.
Muss das sein?
Da macht man sich auf den Weg in die Wüste.
Heißer Sand unter den Fußsohlen. Ständig Durst.
Alles verschwitzt. Aber es ist die Sehnsucht, die einen hier raus bringt.
Hierher zu Johannes, dem Täufer.
Sich von ihm taufen lassen. Dann wird alles besser. Ganz bestimmt.
Und dann:
Wüste Publikumsbeschimpfung.
Ihr Otterngezücht. Ihr Schlangenbrut. Was denkt ihr, wer ihr seid?
Muss das sein? Muss das heute sein? Mitten im Advent?
Dieser Johannes ist kein Schokoladenweihnachtsmann,
kein lieblicher Engel und kein Kurrende-Sänger.
Johannes ist ein harter, unbequemer, sperriger Kerl.
Wenn Johannes auftritt, ist erstmal alles andere als eitel Sonnenschein.
Johannes stört.
Er ist die Gegendemonstration zu unserem Ruhebedürfnis.
Er ist eine Zumutung.
II.
Muss das sein?
Ja, nicht immer muss das sein. Aber vielleicht gerade heute.
Vielleicht gerade in diesem Jahr,
in dem Angela Merkel Bundeskanzlerin ist
und Sigmar Gabriel deutscher Außenminister,
Und in Pforzheim ein neuer Oberbürgermeiste gewählt wurde.
In diesem Jahr, in dem israelische Fahnen abgefackelt werden.
Und Synagogen wieder in Brand gesteckt.
Und in dem Flüchtende in Libyen als Sklaven gehalten werden.
In diesem Jahr, da ergeht das Wort des Herrn.
An uns. Eine Zumutung.
III.
Gerade jetzt brauchen wir so eine Zumutung!
Wir brauchen Menschen, Boten Gottes, Propheten,
die ihren Finger in die Wunde der Welt legen,
dorthin, wo wir lieber nicht so genau hinschauen.
Der Weg wird bereitet, jetzt.
Jetzt - im Advent - heißt es:
hingucken und wegschaffen, was da noch quer in der Landschaft liegt:
Tote Steine und Staub, den wir mitschleppen.
Bäume, schön anzusehen, doch ohne eine Frucht, weil sie nur Fassade sind;
Und am liebsten würden wir sie liegen lassen. Oder einfach nicht hinsehen.
Was sollen wir auch sonst tun?
IV.
Aber du kannst der Welt nicht aus dem Weg gehen, sagt Johannes.
Und du kannst Gott nicht ausweichen.
Denn dieser Gott kommt.
Hierher und heute.
Und wenn du denkst, dass du ja sowieso auf der richtigen Seite stehst:
täusch dich nicht.
Wenn du denkst, dass du ja den richtigen Glauben hast
oder das richtige Parteibuch
oder genügend Einfluss auf die Entscheidungsträger:
Täusch dich nicht.
Und wenn du denkst,
du kannst ignorieren,
dass Hass und Menschenverachtung unser Zusammenleben gefährden:
dann täusch dich nicht!
Gott kommt.
Bereite ihm den Weg. Räum weg, was im Weg steht.
Denn nichts ist sicher.
Und am Ende entscheidet Gott.
V.
Muss das sein?
Johannes, du störst unser adventliches Ringen um etwas mehr Ruhe.
Du stellst alles in Frage, was uns Sicherheit gibt.
Der Weg muss eben sein, denn der Heiland wird zu allen Menschen kommen.
Zu allen.
Nicht nur zu uns, die wir uns auf der richtigen Seite wähnen.
Nein, auch zu denen, auf deren Kosten wir leben.
Oder die wir nicht hier haben wollen.
Oder die stören.
Oder zu denen, die nicht wissen, ob sie ihre Familie hierher holen können.
Was krumm ist soll gerade werden.
Ganze Täler sollen erhöht werden.
Berge und Hügel sollen erniedrigt werden.
Deine Worte sind wie der Wüstensand im Weltgetriebe.
Sie knirschen. Sie reiben.
Sie sind laut, wo wir unsere Ruhe haben wollen.
Und wo es sich nur um uns selbst dreht.
Aber sie lassen auch hoffen.
Darauf, dass es geht.
Dass Gott kommt.
Und dass es besser wird mit uns.
VI.
Was sollen wir denn tun?
Eine bange Frage.
Denn das Wort vom Zorn Gottes steckt in den Knochen
Das Bild von der zerstörerischen Axt geht nicht mehr aus dem Kopf.
Was sollen wir denn tun?
Das ist auch eine gute Frage.
Kein „Da kann man halt nichts machen“ mehr.
Und du, Johannes, antwortest.
Überraschend.
Der große Zeigefinger wird zur offenen Hand.
»Wer zwei Hemden hat, der gebe dem,
der keines hat; und wer Speise hat, tue ebenso. …
Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist! …
Tut niemandem Gewalt oder Unrecht …«
Nichts Unmögliches.
Nur das, was die Liebe gebietet.
Das, was du schaffen kannst.
Kein radikaler Verzicht auf das Schöne.
Aber teile, wovon du mehr als genug hast.
Von deiner Zeit. Oder deinem Brot. Oder deinem Geld.
Oder gebe ein oder zwei Euro mehr aus,
damit die Näherin in Bangladesh wirklich was davon hat.
Sei fair und bereichere dich nicht auf Kosten der anderen.
Genügsamkeit statt gierigem Verlangen.
Ist das alles?
Warum nicht?
Es sind die Maßstäbe, die gelten.
Das ist das Maß, an dem wir gemessen werden.
Das Maß der Liebe.
Und das ist immer noch eine Zumutung.
Weil wir uns selber das Maß oft genug nicht gönnen.
Gott verzichtet selber auf alle Ansprüche und Ränge.
Er ebnet alles ein, was uns von ihm trennt.
Räumt Steine und Müll und Schutt und Bäume aus dem Weg.
Und macht so alles möglich.
Aber dann kann es auch anders gehen.
Muss anders gehen.
VII.
Johannes, der Gegendemonstrant gegen unser Ruhebedürfnis,
er kommt mit der Politik der kleinen Schritte.
Der Traum von einer Welt, wie Gott sie will, soll Wirklichkeit werden.
Aber das passiert nicht von heute auf morgen, nicht Knall auf Fall,
sondern in mühsamer und manchmal auch müheloser Kleinarbeit.
Und statt vor den Bergen der unerledigten Ungerechtigkeiten zu erstarren,
lohnt es sich einfach anzufangen.
Einen Brief für Deniz schreiben, der seit über 300 Tagen im türkischen Gefängnis sitzt.
Einen Benefizkinonachmittag organisieren für Shawkat,
damit er seine Familie aus Syrien hierher holen kann.
Mit Trajan von Anwalt zu Anwalt gehen
und von Gericht zu Gericht
und nun darf er endlich bleiben.
Er hat ja schon längst eine Arbeit.
Beim nächsten Mal bei H+M fragen, ob sie auch faire Kleidung haben.
Und ... ja, Zeichen gegen Menschenverachtung setzen,
egal ob der Oberbürgermeister das passend findet oder nicht.*
VIII.
Es lohnt sich, anzufangen.
Es braucht nichts Unmögliches.
Nur das, was die Liebe gebietet.
Umso wichtiger, dass wir sie uns sagen lassen.
Diese Worte, die wie Sand im Weltgetriebe sind.
Die uns losschicken, zu lieben.
Verschwitzt und kleinmütig wie wir sind.
Aber voller Sehnsucht.
Gut, dass es Störenfriede wie Johannes gibt, die uns auf den Weg bringen.
Ein Weg der über Berge und durch Täler geht, hoch und tief.
Und durch die Wüste, deren Sand uns die Fußsohlen verbrennt.
»Bereitet den Weg des Herrn.«
Muss das sein?
Ja, es muss sein.
Und es wird sein.
Und er, der Herr, wird bei uns sein.
Amen.
*) In der vergangenen Woche hat der Pforzheimer Oberbürgermeister öffentlich die seit 5 Jahren übliche und seit 3 Jahren intensivierte Praxis in Frage gestellt, am 23.2. (dem Tag der Zerstörung Pforzheims am Ende des 2.Weltkriegs) auch deutliche Zeichen gegen die rechtsextreme Instrumentalisierung des Gedenkens zu setzen.
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