Liebe und tu Gutes statt wegzuschauen oder in Schubladen zu denken ....
Predigt zu Lukas 6,27-38 - gehalten am 12. November 2017 in der Stadtkirche Pforzheim
Ich sage euch, die ihr zuhört:
Liebt eure Feinde;
tut wohl denen, die euch hassen;
segnet, die euch verfluchen;
bittet für die, die euch beleidigen.
Und wer dich auf die eine Backe schlägt, dem biete die andere auch dar;
und wer dir den Mantel nimmt, dem verweigere auch den Rock nicht.
Wer dich bittet, dem gib;
und wer dir das Deine nimmt, von dem fordere es nicht zurück.
Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch!
Und wenn ihr liebt, die euch lieben,
welchen Dank habt ihr davon?
Denn auch die Sünder lieben, die ihnen Liebe erweisen.
Und wenn ihr euren Wohltätern wohltut,
welchen Dank habt ihr davon?
Das tun die Sünder auch.
Und wenn ihr denen leiht,
von denen ihr etwas zu bekommen hofft,
welchen Dank habt ihr davon?
Auch Sünder leihen Sündern,
damit sie das Gleiche zurückbekommen.
Vielmehr liebt eure Feinde und tut Gutes
und leiht, ohne etwas dafür zu erhoffen.
So wird euer Lohn groß sein,
und ihr werdet Kinder des Höchsten sein;
denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.
I.
Sie schauten weg.
Sie zogen die Vorhänge zu.
Oder gingen einfach vorbei.
Damals -
als das Wort Jude auf das Schaufenster des Zigarrengeschäfts geschmiert wurde.
Als die Scheiben zu Bruch gingen und der Inhaber verprügelt wurde.
Und ins Gefängnis kam.
Sie schauten weg. Oder machten sogar mit.
Und gingen hinterher an die Kasse des Zigarrengeschäfts und plünderten sie.
Die Juden wurden zu Feinden erklärt.
Entmenschlicht. Entwürdigt.
Und sie machten mit.
Unsere Vorfahren.
Denn es waren ja die Feinde.
Volksverräter.
Welche, die dem Volk schadeten.
So wurden die Juden benannt. Und so glaubte man es.
Warum sich um ihretwillen in Gefahr bringen?
Es gab auch andere.
Die brachten sich in Gefahr.
Haben trotzdem in den Läden eingekauft.
Gingen trotzdem zum jüdischen Arzt.
Und halfen ihren Nachbarn das Land zu verlassen.
Es gab sie.
Sie weigerten sich,
in ihren jüdischen Nachbarn Feinde zu sehen.
Sie folgten Jesus und machten darum nicht mit.
Durchbrachen die Regel. Aber es waren zu wenig.
II.
Mach nicht mit, sagt Jesus.
Mach nicht mit, wenn es um Hass und Gewalt geht.
Mach nicht mit, wo Menschen zu Unmenschen werden.
Steig aus dieser Spirale aus.
Mach es anders.
Liebe und tu Gutes.
Und du wirst sehen, was zurück kommt.
III.
Jesus sagt aber noch mehr.
Liebe, auch wenn der andere wirklich dein Feind ist.
Liebe, auch wenn er dich hasst und dir Böses will.
Schlage nicht zurück, auch wenn er dich schlägt.
Schütze dein Eigentum nicht, auch wenn er es dir wegnimmt.
Ja, das ist schwer. Richtig schwer.
Und darum schaffen das auch nur wenige.
Der Probst von Coventry zum Beispiel.
Als seine Kathedrale von deutschen Piloten zerbombt wurde,
ging Probst Howard in die Ruine
und fügte aus großen Zimmermannsnägeln ein Kreuz.
Wir werden nicht hassen,
sagte er in seiner BBC-Ansprache zu Weihnachten.
„Mit Christus, der heute in unseren Herzen wiedergeboren wurde, versuchen wir
- so schwer es auch sein mag -
alle Gedanken an Rache zu verbannen.“
Probst Howard machte nicht mit.
Er - der Brite - verurteilte die britischen Bombenangriffe.
Und knüpfte Kontakte zu deutschen Brüdern und Schwestern.
Die tragen bis heute.
Wir sehen das an unserem Nagelkreuz hier. (1)
Mach nicht mit.
Mach es anders.
Liebe und tu Gutes.
Und du wirst sehen, was zurück kommt.
IV.
Mach es anders.
Es fängt im Kopf an. Und im Herz.
Aber wo hört es auf?
Für Jesus noch nicht mal am Kreuz.
Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.
Liebe pur.
Für alle, die ihn hassen.
Und ihm weh tun.
Und ihn töten.
Ich weiß nicht, ob ich das könnte.
(.....)
V.
Vermutlich könnte ich das nicht.
Aber ich will im Kopf und im Herzen damit anfangen.
Ich will aussteigen aus dem Schubladendenken.
Will Menschen nicht einteilen in brauchbar und unbrauchbar.
Ich will nicht hören auf die,
die mir Angst vor Fremden machen
und sie mir zu Feinden erklären.
Ich will auch nicht auf die hören,
die davor warnen, großzügig zu sein.
Ich will meinen Mantel teilen wie St. Martin.
Will mein Misstrauen wegpacken
und möglichst nicht mehr hervorholen,
wenn eine Bettlerin was von mir will.
Natürlich weiß ich auch, dass es Drückerbanden gibt.
Und dass ich mit ein paar Cent nicht die Welt rette.
Aber ich könnte mich ja auch zu ihr setzen
und mir ihr reden.
Oder ich kaufe ihr einen Kaffee.
Liebe und tu Gutes. Warte nicht auf Dank.
Mach es anders.
VI.
Christa und Hans, Christian und Mirzeta, Peter und Nicola,
sie und viele andere tun genau das,
wenn sie Flüchtlinge begleiten.
Mit ihnen Formulare ausfüllen,
Wohnung suchen, zum Gericht gehen,
Mit ihnen weinen oder lachen und mit dem Deutsch helfen.
Sie sind mit Kopf und Herz dabei.
Und wenn hier im Januar die Vesperkirche startet, (2)
passiert auch genau das:
Die Helfenden reißen ihre inneren Schubladen auf
und lassen sie offen.
Sie putzen und organisieren und verteilen
und setzen sich zu den Gästen.
Es ist harte Arbeit.
Aber bei ihnen allen,
ob die in der Flüchtlingsarbeit
und denen in der Vesperkirche,
Bei allen fängt es an mit dem Herzenssatz:
Wir lieben und wir tun Gutes.
Sie alle hätten auch was anderes zu tun.
Alle könnten sagen:
der oder die hat das gar nicht verdient.
Oder: vielleicht sind die sogar selber schuld?
Aber sie machen es anders.
Geben ihre Zeit und manche auch viel Geld.
VII.
Vor 79 Jahren wurden hier in Pforzheim wie überall in Deutschland
die jüdischen Geschäfte und die Synagoge zerstört.
Seit 3 Jahren laden die Mitglieder der jüdischen Gemeinde Nichtjuden ein.
Ausgerechnet an diesem Tag, am 10.November.
Nachfahren der damaligen Täter laden sie ein.
Auch ich darf dabei sein -
obwohl meine Vorfahren Juden gehasst haben.
Nach der Gedenkfeier auf dem Platz der Synagoge
essen wir zusammen.
Trinken. Reden. Lachen. Und staunen.
Wir wissen um die Kostbarkeit dieses Augenblicks.
Dass wir keine Feinde mehr sind, sondern Freunde.
Sie, unsere jüdischen Geschwister tun genau das,
was Jesus sagt:
Sie tun wohl denen, die sie gehasst haben;
segnen, die sie verflucht haben.
Sie sind die Kinder des Höchsten.
VIII.
So weit gehen wir noch nicht mal in der Vesperkirche
und nicht mit den Flüchtlingen.
Denn die, denen wir hier helfen, sind nicht unsere Feinde.
Und sie hassen uns nicht
und verfluchen und beleidigen uns nicht.
Aber das, was viele von uns da tun, ist der Anfang.
Ganz klein und ganz einfach und vor allem im Herzen.
Liebe und tu Gutes.
Lass dich nicht aufhalten.
Lass dir nicht einreden, das sei unvernünftig.
Liebe und tu Gutes.
Ja, da fängt es an.
Und da hört es noch lange nicht auf.
Aber es verändert die Welt.
Und du wirst sehen, was zurück kommt.
Amen.
(1) Seit 2005 gehört die Stadtkirche zur Nagelkreuzgemeinschaft. Nähere Infos: http://www.nagelkreuzzentrum-pforzheim.de/
(2) Die Vesperkirche ist ein ökumenisches Projekt, ehrenamtlich getragen, und findet jedes Jahr von Mitte Januar bis Mitte Februar in der Stadtkirche statt.
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