Montag, 30. November 2015

Die Tore gehen auf

Predigt zu Jeremia 23,5-8
 
(Vorbemerkung:
Diese Predigt wurde gehalten zum 1.Advent 2014 und zur Einweihung des neuen Gemeindehauses in Büchenbronn - kurz nach den Jubliläumsfeierlichekeiten zum Mauerfall.
Mittlerweile wird im Gemeindehaus in Büchenbronn ein Kirchenasyl gewährt! Darum veröffentliche ich diese Predigt an dieser Stelle!)


Jeremia 23,5-6
5 Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird.
6 Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen. Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: »Der HERR unsere Gerechtigkeit«.
7 Darum siehe, es wird die Zeit kommen, spricht der HERR, dass man nicht mehr sagen wird: »So wahr der HERR lebt, der die Israeliten aus Ägyptenland geführt hat!«,
8 sondern: »So wahr der HERR lebt, der die Nachkommen des Hauses Israel herausgeführt und hergebracht hat aus dem Lande des Nordens und aus allen Landen, wohin er sie verstoßen hatte.« Und sie sollen in ihrem Lande wohnen.


I.
Siehe es kommt die Zeit, da gehen die Tore auf!
Drei Wochen liegt sie zurück.
Die Feier der offenen Tore.
Macht die Tore auf!
So riefen vor 25 Jahren die Menschen
Grenzübergang der  Bornholmer Straße.
Und die Tore gingen auf.
Und die Menschen zogen ins Land,
freudiger Erwartung einer neuen Freiheit.
Und die Menschen gingen über die Brücken
und stiegen über die Mauern
und hofften auf blühende Landschaften.
Aber sie glaubten nicht alles, was die führenden Politiker versprachen.
Machtversessenheit und Machtvergessenheit gibt es
in Ost und West, Süd und Nord.
Ob der Westen wirklich besser wohl regieren
und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben kann?
Skepsis ist berechtigt. Ernüchterung macht sich breit.

II.
Siehe es kommt die Zeit, da gehen die Tore auf!
Let my people go - lass mein Volk ziehen,
rufen Mose und seine Leute dem Pharao zu.
Mach die Tore für uns auf!
Harte Verhandlungen,
schwere Rückschläge,
gefährliche Muskelspiele -
endlich beugt sich der Pharao dieser Forderung.
Das Volk Israel weiß Gott an seiner Seite,
erwartet eine neue Freiheit, 
überwindet Meere, Wüsten, Hunger, Durst und Zweifel.
Ziel: das gelobte Land,
dort, wo Recht und Gerechtigkeit herrschen -
und endlich sicher wohnen!

Hunderte von Jahren später:
Deportationen, Enteignungen,
Verlust von Heimat, von Grund und Boden.
Ein kleiner Rest bleibt zurück.
Die Träume zerstört.
Nichts mit Freiheit.
Nichts mit Recht und Gerechtigkeit.
Ob wir noch eine Zukunft haben?
Das Volk ist skeptisch,
weiß es doch um seine Führer,
korrupt, machtversessen und ungläubig.
Ja, man sehnt sich nach einem gerechten, einem wirklich gerechten König,
nach einem, der weiß, dass er mehr Diener als Herrscher ist.
Nein, die alten Rezepte taugen nichts mehr.
Militärische Bündnisse und Muskelspiele erweisen sich als Seifenblasen.
Let my people go!

III.
Siehe es kommt die Zeit, da gehen die Tore auf!
Vor den Mauern Europas harren sie und hoffen.
Hoffen, dass sie hineinkommen,
die Männer aus Gambia,
die Frauen aus Syrien,
die yesidischen Kinder.
Die Verstoßenen, sie wollen im Lande wohnen.
Endlich wieder sicher wohnen.
Bleiberecht bekommen.
Und die Menschen gehen über die Brücken
und steigen über die Mauern
und kommen über das Meer, wo sie in überfüllten Booten versinken,
und die überfüllten Inseln Italiens können sie nicht mehr aufnehmen.

Vor den Mauern Europas harren sie und hoffen.
Aber für sie gehen die Tore nicht auf.
Sie bleiben geschlossen,
Sie sind nicht nützlich.
Sie bringen kein Geld.
Sie bringen keinen politischen Vorteil.
Sie haben keinen Leumund.
Warum sie dann herein lassen?
So fragt man am Stammtisch und auf Facebook.
Gefährliche Bündnisse und Muskelspiele der rechten Szene kommen auf.
Und sind leider keine Seifenblasen...

IV.
Siehe es kommt die Zeit, da gehen die Tore auf!
Ob er kommt?
Ob er wirklich kommt?
Dieser Jesus?
Hinter den Toren harren sie und hoffen, dass er es ist,
der König, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird.
Der König, der alles ändert.
Und dann gehen die Tore auf.

Da kommt einer auf einem Esel daher.
Ein paar lumpige Gesellen dabei.
Sonst nichts.
Ein guter Redner soll er sein.
Aber mit ungewisser Herkunft.
Eigenartige Methoden hat er:
lädt Zöllner und Sünderinnen ein.
Unterhält sich mit Frauen am Brunnen
und legt sich mit der religiösen Aristokratie an.
Einer, der die Armen seligpreist,
und mit ihnen die Verfolgten und Friedfertigen und Sanftmütigen.
Einer, der heruntergekommen ist
und Angst und Schweiß und Tränen kennt.

Tore gehen auf in Jerusalem.
Der Weg wie ein Tisch gedeckt.
Herzlich Willkommen, du König der Ehre.
Aber es gehen auch Türen zu.
Nein, so einen König wollen wir nicht.
Der ist nicht nützlich.
Der bringt kein Geld.
Der bringt keinen politischen Vorteil.
Der hat keinen Leumund.
Der macht aber Ärger. Der stört unsere Kreise.
Warum ihn dann herein lassen?
So fragt man im Palast und im Tempel.
Gefährliche Bündnisse und Muskelspiele der frommen Szene kommen auf.
Und werden brutale Wirklichkeit....

V.
Machen wir für ihn die Tore auf?
Wissen wir worauf wir uns einlassen, wenn wir ihn einlassen?
Er schaut uns an und wir können uns nicht verstecken.
Er stellt sich vor uns hin und wir kommen an ihm nicht vorbei.
Er spricht zu uns und wir können ihn nicht überhören.
Er setzt sich an unseren Tisch und wir teilen, was wir haben.

Und wir  - wir schmecken wie freundlich der Herr ist.
Wir - wir spüren Recht und Gerechtigkeit auf der Zunge und in den Händen.
Wir wissen, dass die ganze Welt mit am Tisch sitzt.
Und er - er lässt uns die Türen und Tore unserer Häuser öffnen.
Und es kommen noch mehr herein.

Die Verstoßenen, sie wollen im Lande wohnen.
Und er mittendrin - er, der König der Ehre.
Darauf lassen wir uns ein, wenn wir ihn einlassen!
Machen wir für ihn die Tore auf?
Die Tore in unser Leben? In unser Herz?

VI.
Siehe es kommt die Zeit, da gehen die Tore auf!
Heute gehen die Tore vom neuen Gemeindehaus auf.
Endlich! Es wurde höchste Zeit!
Herzlich willkommen, du König der Ehre.
Willkommen, du Mann auf dem Esel!
Willkommen ihr Menschen von Nah und Fern.
Ihr fühlt euch nutzlos? Willkommen!
Ihr habt kein Geld? Herein mit euch!
Ihr bringt keinen politischen Vorteil? Tretet ein!
Ihr habt keinen Leumund? Kommt und setzt euch an den Tisch!
Ihr mit eurem Lachen und eurem Weinen,
ihr mit eurer Schuld und eurer Liebe,
ihr mit eurer Leichtigkeit und eurer Schwere.
Alle, die ihr da seid. Willkommen!

Die Tore sind offen.
Das Haus ist bereit.
Leben zieht ein - mit dem König auf dem Esel.
Mit den Verstoßenen.
Mit den Menschen aus Norden und Süden.

Und auch die Tore Europas werden aufgehen
wie die Tore zu unseren Herzen.
Und die Tore zum Gemeindehaus.
Sie werden aufgehen müssen.
Um der Menschen willen.
Um der Liebe willen.
Um Gottes willen.
Denn wir sitzen mit der Welt an einem Tisch
und schmecken und sehen, wie freundlich der Herr ist.
Und wir spüren Recht und Gerechtigkeit
auf der Zunge und in den Händen.
Gefährliche Bündnisse und Muskelspiele
zerplatzen wie Seifenblasen
und haben keinen Platz mehr.

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, 
dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will. 
Der soll ein König sein, der wohl regieren 
und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird.

Öffnen wir ihm die Tore und lassen ihn herein!

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, 
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. 
Amen.

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